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Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)

Titel: Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kahneman
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besonderen Wendung.
    Linda ist Grundschullehrerin.
Linda arbeitet in einer Buchhandlung und nimmt Yogakurse.
Linda ist in der feministischen Bewegung aktiv.
Linda betreut als Sozialarbeiterin psychisch Kranke.
Linda ist Mitglied der League of Women Voters.
Linda ist Bankkassiererin.
Linda ist Versicherungsvertreterin.
Linda ist Bankkassiererin und in der feministischen Bewegung aktiv.
    Das Problem zeigt in mehrfacher Hinsicht einen zeitlichen Bezug. Die League of Women Voters spielt heute keine so bedeutende Rolle mehr, und die Idee einer »feministischen Bewegung« hört sich seltsam an – ein Beleg für den Wandel des Status der Frau in den letzten dreißig Jahren. Selbst im Zeitalter von Facebook lässt sich der fast perfekte Konsens der Urteile leicht erraten: Die Beschreibung von Linda passt sehr gut zu einer aktiven Feministin, recht gut zu einer Person, die in einer Buchhandlung arbeitet und Yogakurse besucht – und sehr schlecht zu einer Bankkassiererin oder einer Versicherungsvertreterin.
    Konzentrieren wir uns jetzt auf die entscheidenden Elemente in der Liste: Passt die Beschreibung Lindas eher zu einer Bankkassiererin oder zu einer Bankkassiererin, die in der feministischen Bewegung aktiv ist? Alle sind sich einig, dass Linda eher der Vorstellung einer »feministischen Bankkassiererin« als dem Stereotyp einer Bankkassiererin entspricht. Die stereotype Bankkassiererin ist keine feministische Aktivistin, und wenn man die Beschreibung um dieses Detail ergänzt, erhält man eine kohärente Geschichte.
    Die Besonderheit liegt in den Wahrscheinlichkeitsurteilen, weil zwischen den beiden Szenarien ein logischer Zusammenhang besteht. Denken Sie in Venn-Diagrammen (Mengendiagrammen). Die Menge feministischer Bankkassiererinnen ist vollständig in der Menge der Bankkassiererinnen enthalten, da jede feministische Bankkassiererin eine Bankkassiererin ist. Daher muss die Wahrscheinlichkeit, dass Linda eine feministische Bankkassiererin ist, niedriger sein als die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Bankkassiererin ist. Wenn man ein potenzielles Ereignis detaillierter beschreibt, kann man seine Wahrscheinlichkeit nur vermindern. Das Problem löst daher einen Konflikt zwischen der Intuition der Repräsentativität und der Logik der Wahrscheinlichkeit aus.
    Bei unserem ersten Experiment hielten wir uns an das sogenannte »Between-Subjects-Design«, das heißt, wir variierten die experimentellen Bedingungen zwischen zwei gesonderten Probandengruppen. Alle Probanden sahen eine Reihe von sieben Ergebnissen, die jeweils nur eines der kritischen Elemente (»Bankkassiererin« oder »feministische Bankkassiererin«) beinhalteten. Einige stuften die Ergebnisse nach Ähnlichkeit ein, andere nach Wahrscheinlichkeit. Wie im Fall von Tom W. waren die durchschnittlichen Einstufungen nach Ähnlichkeit und nach Wahrscheinlichkeit identisch; »feministische Bankkassiererinnen« wurden in beiden höher eingestuft als »Bankkassiererinnen«.
    Dann verfeinerten wir das Experiment mit einem »Within-Subject-Design«, das heißt, wir variierten die experimentellen Bedingungen innerhalb einer Probandengruppe. Wir konzipierten den Fragebogen so, wie Sie ihn gesehen haben, mit »Bankkassiererin« an der sechsten Stelle der Liste und »feministische Bankkassiererin« als letztem Element. Wir waren überzeugt davon, dass die Probanden die Beziehung zwischen den beiden Ergebnissen bemerken würden und dass ihre Einstufungen konsistent mit der statistischen Logik wären. Tatsächlich waren wir uns dessen so sicher, dass wir es nicht für notwendig erachteten, ein gesondertes Experiment durchzuführen. Meine Assistentin führte im Labor ein anderes Experiment durch, und sie bat die Versuchspersonen, den neuen Linda-Fragebogen auszufüllen, während sie sich abmeldeten, unmittelbar bevor sie ihr Honorar erhielten.
    Etwa zehn Fragebogen hatten sich in einem Ablagekorb auf dem Schreibtisch meiner Assistentin angesammelt, als ich beiläufig einen Blick darauf warf und bemerkte, dass alle Probanden »feministische Bankkassiererin« für wahrscheinlicher hielten als »Bankkassiererin«. Ich war so überrascht, dass ich noch immer eine »Blitzlichterinnerung« an die graue Farbe des Metallschreibtisches und an die Standorte aller Anwesenden habe, als ich diese Entdeckung machte. Ich rief Amos sofort total begeistert an, um ihm mitzuteilen, was ich gefunden hatte: Wir hatten die Logik gegen die Repräsentativität ausgespielt, und die Repräsentativität

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