Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
die ihnen vorgestellt würden, aus einem Kurs stammten, in dem 75 Prozent die Prüfung bestanden, und er sagte einer anderen Gruppe, dieselben Studenten wären Teilnehmer eines Kurses, in dem nur 25 Prozent die Prüfung bestanden hätten. Dies ist eine starke Manipulation, weil die Basisrate des Bestehens den unmittelbaren Schluss nahelegt, der Test, den nur 25 Prozent bestanden haben, müsse extrem schwierig gewesen sein. Der Schwierigkeitsgrad einer Prüfung ist natürlich einer der kausalen Faktoren, die das Ergebnis jedes Studenten bestimmen. Erwartungsgemäß wurden Ajzens Probanden in ihren Urteilen stark von den kausalen Basisraten beeinflusst, und sie gelangten zu dem Schluss, dass jeder Student in der Gruppe mit hoher Erfolgsrate mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit bestanden habe als ihre Kollegen in der Gruppe mit hoher Misserfolgsrate.
Ajzen benutzte eine raffinierte Methode, um eine nonkausale Basisrate zu suggerieren. Er sagte seinen Probanden, die Studenten, die ihnen kurz vorgestellt würden, stammten aus einer Stichprobe, die ihrerseits durch Selektion von Studenten, die die Prüfung bestanden oder nicht bestanden hatten, zusammengestellt worden sei. Die Information über die Gruppe mit hoher Misserfolgsrate lautete beispielsweise folgendermaßen:
Der Forscher interessierte sich hauptsächlich für die Ursachen des Prüfungsversagens und stellte eine Stichprobe zusammen, in der 75 Prozent bei der Prüfung durchgefallen waren.
Beachten Sie den Unterschied. Diese Basisrate ist eine einfache statistische Tatsache über die Gesamtheit, aus der die Einzelfälle entnommen wurden. Sie hat keine Bedeutung für die gestellte Frage, die lautet, ob der einzelne Student die Prüfung bestanden oder nicht bestanden hat. Erwartungsgemäß hatten die ausdrücklich erwähnten Basisraten einen gewissen Einfluss auf die Urteilsbildung,
aber doch in viel geringerem Umfang als die statistisch äquivalenten kausalen Basisraten. System 1 kommt gut mit Geschichten klar, in denen die Elemente kausal verknüpft sind, aber es ist schwach im statistischen Denken. Für einen bayesschen Denker sind die Versionen selbstverständlich äquivalent. Die Vermutung liegt nahe, dass wir zu einer zufriedenstellenden Schlussfolgerung gelangt sind: Kausale Basisraten werden verwendet; bloße statistische Tatsachen werden (mehr oder weniger) vernachlässigt. Die nächste Studie, eine meiner Lieblingsstudien überhaupt, zeigt, dass die Situation erheblich komplexer ist.
Kann man Psychologie unterrichten?
Die skrupellosen Taxifahrer und die unglaublich schwierige Prüfung veranschaulichen zwei Schlüsse, die Menschen aus kausalen Basisraten ziehen. Sie sehen einerseits eine stereotype Eigenschaft, die einer Einzelperson zugeschrieben wird, und andererseits ein bedeutsames Merkmal der Situation, das sich auf die Leistung eines Individuums auswirkt. Die Teilnehmer der Experimente zogen die richtigen Schlüsse, und ihre Urteile verbesserten sich. Aber leider läuft es nicht immer so gut. Das klassische Experiment, das ich als Nächstes beschreibe, zeigt, dass Menschen aus Informationen über Basisraten keinen Schluss ziehen, der anderen Überzeugungen zuwiderläuft. Es untermauert auch die unangenehme Schlussfolgerung, dass Psychologie-Unterricht weitgehend für die Katz ist.
Das Experiment wurde vor etlichen Jahren von dem Sozialpsychologen Richard Nisbett und seinem Studenten Eugene Borgida an der Universität Michigan durchgeführt. 3 Sie erzählten Studenten von dem berühmten »Experiment zur Hilfsbereitschaft«, das ein paar Jahre zuvor an der New York University durchgeführt wurde. Die Teilnehmer dieses Experiments wurden in Einzelkabinen geführt und aufgefordert, über die Sprechanlage von ihren Privatleben und ihren Problemen zu berichten. Sie sollten nacheinander etwa zwei Minuten lang sprechen. Es war jeweils immer nur ein Mikrofon eingeschaltet. Jede Gruppe hatte sechs Probanden, von denen einer ein Strohmann war. Der Strohmann sprach als Erster und hielt sich dabei an ein Manuskript, das von den Experimentatoren vorbereitet worden war. Er erzählte, dass es ihm schwerfalle, sich in New York einzuleben, und er räumte mit unverhohlener Verlegenheit ein, dass er zu epileptischen Anfällen neige, insbesondere in Stresssituationen. Nun kamen die übrigen Teilnehmer nacheinander an die Reihe. Als das
Mikrofon des Strohmanns wieder eingeschaltet wurde, wirkte er erregt und sagte, er spüre das Nahen eines Anfalls, und bat um
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