Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
überraschende statistische Tatsache mitteilten, überhaupt nichts lernten. Wenn sie die Studenten jedoch mit Einzelfällen überraschten – zwei nette Leute, die nicht geholfen hatten –, verallgemeinerten sie sofort und folgerten, dass Menschen nicht so schnell und unkompliziert helfen, wie sie geglaubt hatten. Nisbett und Borgida fassten die Ergebnisse in einem denkwürdigen Satz zusammen:
Der Unwille der Probanden, das Besondere aus dem Allgemeinen abzuleiten, reichte allenfalls an die Bereitwilligkeit heran, mit der sie aus dem Besonderen das Allgemeine folgerten.
Dies ist ein äußerst wichtiger Befund. Menschen, denen erstaunliche statistische Tatsachen über das menschliche Verhalten beigebracht werden, mögen so beeindruckt sein, dass sie ihren Freunden davon erzählen, aber dies bedeutet nicht, dass sich ihr Verständnis der Welt wirklich verändert hat. Ob man psychologisch wirklich etwas dazugelernt hat, lässt sich nur daran ermessen, ob man ein neues Verständnis von Situationen, in die man gerät, entwickelt, nicht daran, ob man eine neue Tatsache gelernt hat. Zwischen unserem statistischen Denken und unserem Denken über Einzelfälle besteht eine gewaltige Kluft. Statistische Ergebnisse mit einer kausalen Interpretation wirken sich stärker auf unser Denken aus als nicht kausale Informationen. Aber selbst zwingende kausale Statistiken werden langjährige Überzeugungen oder Überzeugungen, die in unseren persönlichen Erfahrungen wurzeln, nicht verändern. Andererseits haben überraschende Einzelfälle eine starke Wirkung, und sie sind ein effektiveres Instrument zur Vermittlung psychologischen Wissens, weil die Inkongruenz aufgelöst und in eine kausale Geschichte eingebaut werden muss. Aus diesem Grund enthält dieses Buch Fragen, die sich direkt an den Leser
richten. Sie lernen eher etwas, wenn Sie Überraschendes in Ihrem eigenen Verhalten entdecken, als wenn Sie überraschende Tatsachen über Menschen im Allgemeinen hören.
Zum Thema »Ursachen und Statistiken«
»Wir können nicht davon ausgehen, dass sie aus rein statistischen Darlegungen etwas lernen werden. Wir sollten ihnen deshalb einen oder zwei repräsentative Einzelfälle zeigen, um ihr System 1 zu beeinflussen.«
»Es gibt keinen Grund, zu befürchten, dass diese statistische Information ignoriert wird. Im Gegenteil, sie wird sofort dazu benutzt werden, ein Stereotyp zu bekräftigen.«
17. Regression zum Mittelwert
Eines der befriedigendsten Heureka-Erlebnisse meiner beruflichen Laufbahn hatte ich, als ich Fluglehrer der israelischen Luftwaffe in der Psychologie erfolgreichen Trainings unterrichtete. Ich erzählte ihnen von einem wichtigen Grundsatz erfolgreicher Schulung von Fähigkeiten: Die Belohnung von Leistungssteigerungen ist effektiver als die Bestrafung von Fehlern. Zahlreiche Ergebnisse von Studien an Tauben, Ratten, Menschen und anderen Säugetieren erhärten diese These.
Als ich meinen begeisterten Vortrag beendet hatte, hob einer der erfahrensten Ausbilder in der Gruppe die Hand und hielt selbst eine kurze Rede. Zunächst räumte er ein, dass die Belohnung von Leistungsverbesserungen bei Vögeln eine gute Idee sein mag, aber er meinte, dass es mit Sicherheit für Flugkadetten nicht optimal wäre. Er sagte: »Bei vielen Gelegenheiten habe ich Flugkadetten für die saubere Ausführung bestimmter Flugmanöver gelobt. Wenn sie dann das gleiche Manöver wieder probieren, sind sie meistens schlechter. Andererseits habe ich oft in den Kopfhörer eines Kadetten gebrüllt, weil ich mit seiner Leistung nicht zufrieden war, und beim nächsten Versuch hat er es dann im Allgemeinen besser gemacht. Also erzählen Sie uns bitte nicht, dass Belohnungen immer den gewünschten Erfolg bringen und Bestrafungen nicht, denn das Gegenteil ist der Fall.«
Dies war ein freudiger Moment der Erkenntnis, als ich ein Prinzip der Statistik, das ich seit Jahren unterrichtet hatte, in einem neuen Licht sah. Der Ausbilder hatte recht – aber zugleich hatte er vollkommen unrecht! Seine Bemerkung war scharfsinnig und richtig: Wenn er einmal eine Leistung lobte, folgte mit hoher Wahrscheinlichkeit beim nächsten Mal eine enttäuschende Leistung, und Tadel führte in der Regel zu einer Verbesserung der Leistung. Aber der Schluss, den er aus seinen Erfahrungen über die Effizienz von Belohnung und Bestrafung zog, war völlig verfehlt. Was er beobachtet hatte, war die sogenannte »Regression zum Mittelwert«, die in diesem Fall auf
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