Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
Vom Netzwerk:
rührt. Sie lässt von ihr ab und wartet einen Moment. Nichts. Ist sie etwa tot?
    Mit einem Schlag verkehrt sich der Triumph in etwas Widerliches, Schmutziges.
    Der Schlüssel. Reiß dich zusammen, du brauchst den Schlüssel.
    Liz tastet nach dem Karabinerhaken an Yvettes Hosenbund, löst den Schlüssel und rollt sich von dem noch warmen Körper herunter. Zitternd wie Espenlaub robbt sie zum Ausgang. Sie stützt sich an der Wand ab und steht auf, dann öffnet sie die Tür. Ein breiter Streifen Licht fällt ins dunkle Zimmer und wirft ein Schlaglicht auf ihre Gegnerin. Über Yvettes linkem Ohr quillt Blut zwischen den Haaren hervor und läuft über den Hals. Ihre Augen sind geschlossen. Wenigstens das! Wenigstens muss ich ihr nicht in die Augen sehen.
    Sie atmet mehrmals tief ein und aus, um sich zu beruhigen, aber sie kann nicht, sie muss ständig an Val denken.
    Irgendwann wird er bemerken, dass etwas nicht stimmt. Ein einziger Blick auf die Überwachungskamera, und er weiß Bescheid.
    Also weiter!
    Liz tritt auf das helle Rechteck zu, setzt einen Fuß über die Schwelle – und den zweiten. Ihr Herz schlägt wild, als wollte es sie verraten.
    Sie zieht die Tür zu, steckt mit beiden Händen Yvettes Schlüssel ins Schloss und verriegelt die Tür.
    Dann dreht sie sich um und kneift die Augen zusammen. Vor ihr liegt hell erleuchtet ein etwa sechs Meter langer Flur, der am Ende im rechten Winkel abknickt. Die Ziegelwände sind schmutzgrau überstrichen, links und rechts geht jeweils eine Tür vom Gang ab. Unter der Decke baumelt eine nackte Glühbirne in einer rostigen Fassung.
    Liz’ Füße tappen über den fleckigen Beton. Sie geht unter der Glühbirne hindurch, und ihr Schatten überholt sie, wächst in den Gang hinein. Vorsichtig nähert sie sich der Biegung, späht mit einem Auge um die Ecke – und keucht.
    Nein. Bitte nicht!
    Zehn Schritte weiter versperrt eine schwere Gittertür mit dicken runden Stäben den Weg.
    Sie starrt auf Yvettes Schlüssel. Mit zittrigen Händen versucht sie den schmalen silbernen Bart in den Zylinder zu stecken. Vergeblich. Er passt nicht.
    Sie dreht sich um, hastet zurück zu den beiden anderen Türen und stößt die linke auf. Eine Zelle wie ihre. Nur wohnlicher und etwas größer. Decken, Kissen, ein abgewetztes hellbraunes Ledersofa, zerlesene Bücher, ein ungemachtes Bett, ein Waschbecken mit Toilette, an den Wänden ungelenke Zeichnungen von Blumen, keine Fenster, kein Ausgang. Ein Keller.
    Yvette hatte nicht gelogen. Val hielt sie offenbar ebenso gefangen wie sie selbst.
    Sie dreht sich um, stößt die andere Tür auf. Auch hier brennt Licht. Wieder eine Zelle, wieder kein Ausgang. Rechts eine spartanische Küchenzeile, ein Schrank mit Arzneimitteln, links ein Wäschetrockner und ein fast drei Meter breiter Garderobenständer auf Rollen. An der Querstange hängen etwa zwanzig auffallend exklusive Kleider, einige davon sind mit Plastikfolie verhüllt. Ganz vorne, etwas separiert, hängt ein Kleid mit einem ausladenden Rock aus weißem Satinstoff, mit Hunderten von aufgestickten weiß glitzernden Rosen. Der vordere Teil des Kleides ist beinah so kurz wie ein Minirock, der hintere Teil dagegen ist lang und ausladend wie ein Rokoko-Kleid. Das Innenfutter des Rocks ist durchzogen von einem floralen Muster in Königsblau. Liz kann nicht anders, sie streckt die Hände nach dem schimmernden Stoff aus. Er ist seidenweich und zugleich fest und bauschig.
    Ich habe ein Kleid für dich ausgesucht, für den Dreizehnten. Du wirst aussehen wie eine Königin.
    Ein Schauder überläuft Liz. Sie zieht die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Trotzdem kann sie ihre Augen nicht von dem kostbaren Kleid abwenden. Solche Einzelstücke kosten oft mehr als hunderttausend Euro und hängen entweder an den mageren Schultern von Haute-Couture-Models oder in den begehbaren Kleiderschränken der Superreichen. Wie elektrisiert starrt sie auf das fließende blaue Blumenmuster. Woher zum Teufel hat er solche Kleider?
    Im Flur ist plötzlich etwas zu hören, es klingt wie das Echo einer weit entfernten Tür, die geöffnet wird.
    Val!
    Liz wirbelt herum, ihre Gedanken überschlagen sich.
    Schritte. Sie hört Schritte, die im schnellen Tempo eine Treppe hinabeilen.
    Sie schaut hoch zur Decke, zur Glühbirne. Blitzschnell ist sie unter der

Weitere Kostenlose Bücher