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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Lampe, reckt ihre Arme, ihre Finger. Die Hitze versengt ihr die Haut, als sie die Birne nach links dreht. Die Lampe flackert und verlöscht. Nur für das Licht im Flur ist es jetzt zu spät.
    Metallisches Klappern dringt aus dem Flur, ein Schlüssel, der ins Schloss gesteckt wird. Ihr Puls dröhnt in den Ohren, das Herz hämmert von innen gegen die Rippen. Knirschen, Schritte. Liz hat keine Wahl. Es gibt nur dieses eine Versteck. Sie taucht zwischen die Haute-Couture-Kleider am Garderobenständer und drückt sich dahinter an die kalten Ziegel. Am liebsten würde sie mit ihren Nägeln ein Loch in die Wand kratzen. Ängstlich späht sie zwischen den kostbaren Stoffen hindurch zur offenen Tür.
    Bitte lass ihn vorbeigehen.
    Und dann? Was dann?
    Plötzlich flammt ein Licht auf, ein nervöses Flackern, für Sekundenbruchteile.
    O nein! Die Birne, sie hat die Birne nicht weit genug herausgedreht.
    Auf dem Boden des Flurs wächst ein Schatten, im Türrahmen taucht Vals Gestalt auf, gerade in dem Moment, als die Glühbirne ein weiteres Mal nervös flackert.
    Val bleibt stehen.
    Ein Lächeln huscht über sein angespanntes Gesicht. »Hab ich dich unterschätzt, kleine Liz? Bist du so stark?«, flüstert er.
    Liz’ Knie werden weich. Durch den schmalen Spalt sieht sie, wie er näher kommt. Langsam. Unaufhaltsam. Im Rhythmus der flackernden Lampe blitzt Vals Gesicht auf.
    Â»Was hast du dir dabei gedacht, Liz? Dass du entkommen kannst? Einfach so? Eine kleine geschwächte nackte Frau, mitten in den Bergen, bei diesen Temperaturen?«
    Berge. Wir sind in den Bergen! Liz duckt sich, spannt alle Muskeln an.
    Â»Wie weit wirst du wohl kommen, Liz, bis ich dich einhole? Hundert Meter? Zweihundert Meter?«
    Die Lampe knistert. Val geht unter ihr hindurch, und sein Gesicht ist plötzlich pechschwarz, nur seine Silhouette leuchtet im Gegenlicht wie eine gefährliche Aura.
    Â»Wollen wir es ausprobieren? Ich könnte dich gehen lassen. Aber du müsstest weit laufen, Liz, wirklich weit«, sagt er. Seine Stimme knistert vor Erregung wie die Lampe, als flösse Strom durch seinen Körper. Seine Gestalt wächst ins Riesenhafte, verdeckt die Tür, den hellen Ausschnitt Flur. Wo vorher der Ausgang war, ist jetzt nur noch er. Riesig. Schwarz. Alles beherrschend.
    Â»Es wäre vergebens«, flüstert Val. »Und ich will nicht, dass du dich verletzt. Ich brauche dich unversehrt. Makellos.«
    Verzweifelt spannt Liz ihre Muskeln bis aufs Äußerste. Die Lampe blinkt spöttisch.
    Â»Komm heraus, kleine Liz, komm heraus.« Er ist ganz nah, ragt vor dem Garderobenständer auf.
    Jetzt!
    Wie eine Feder schnellt sie nach vorne, ihre Hände drücken von schräg unten gegen die Garderobenstange, sie will sie ihm unters Kinn rammen, aber die Kleider wiegen so viel wie ein Bücherregal. Durch den Schwung kippt sie mit der Stange nach vorne, mitsamt den Kleidern auf Val. Er rudert mit den Armen, kann sich nicht halten und stürzt, sein Hinterkopf schlägt auf den Betonfußboden. Liz landet bäuchlings neben ihm. Die Kleider federn ihren Sturz ab.
    Plötzlich ist es still.
    Er ist bewusstlos!, denkt sie und kann ihr Glück kaum fassen.
    Die Birne wetterleuchtet.
    Liz streckt die Hände aus, bis sie seinen Körper spürt. Der Schlüssel! Irgendwo muss doch der Schlüssel sein! Ihre Finger tasten über Vals Hose, seine Taschen.
    Da.
    Ihre Hand wühlt sich in seine linke Hosentasche. Sie packt den Schlüssel, der sich im dünnen Innenfutter der Tasche verhakt hat, berührt dabei sein Glied.
    Dennoch schafft sie es, den Schlüssel herauszuzerren. Sie rappelt sich auf, zwischen dem wirren Berg aus Kleidern. Das Flurlicht scheint durch die offene Tür. Sie sieht an sich hinab, an ihrem dünnen Krankenhausleibchen.
    Val stöhnt leise und abgrundtief.
    Wie von der Tarantel gestochen, greift Liz in den Berg aus Kleidern, reißt eins heraus und stürmt zur Tür, den Gang hinunter. Mit zitternden Fingern stochert sie mit dem Schlüssel im Schlüsselloch, doch er rutscht ab und fällt klimpernd zu Boden.
    Blöde Gans.
    Sie hebt ihn wieder auf, startet einen zweiten Versuch. Metall kratzt auf Metall, das Schlüsselloch erscheint ihr winzig, wie ein Nadelöhr.
    Mach schon!
    Sie nimmt jetzt beide Hände, um das Zittern in den Griff zu bekommen. Endlich gelingt es ihr, und der Schlüssel rutscht ins

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