Schnitt: Psychothriller
Loch.
Das Schloss gibt nach, das Gitter schwingt mit einem Knirschen auf. Es klingt nach Rost und Ãl.
Hinter ihr ertönt ein Stöhnen, lauter als eben.
Sie zerrt den Schlüssel wieder aus dem Schloss. Das Mistding wehrt sich, krallt sich fest. Dann endlich schlüpft sie durch die Tür, drückt sie von auÃen zu.
Jetzt schlieà ab!
Ihre Hand mit dem Schlüssel sucht wieder. Ihre Finger zittern. Unkontrolliert. Heftig.
Bitte!
Sie versucht es wieder mit beiden Händen. Zwecklos.
Vals Stöhnen quillt durch den Flur zu ihr.
Panisch lässt sie vom Türschloss ab, packt das Kleid und taumelt weiter, einfach den Gang entlang, um eine Ecke. Ihre FüÃe berühren eine Treppe. Sie ertastet einen Handlauf und steigt Stufe für Stufe empor, immer schneller, nur raus aus dieser Hölle.
Die Treppe endet direkt in einem groÃen Zimmer. Das Tageslicht fährt ihr wie Gift in die Augen. Schemenhaft erkennt sie drauÃen einen Garten. Sie schafft es, die Glastür zu öffnen, stürzt ins Freie.
Die frische Luft ist geradezu ein Schock. Gierig saugt Liz ihre Lungen voll. Es riecht nach Erde, Bergluft, Harz und Gras. Sie kneift die Augen zusammen, versucht, sich zu orientieren. Rechter Hand ist ein Garagentor, und sie rüttelt daran, aber es ist verschlossen. Da drinnen muss ein Auto sein und irgendwo im Haus mit Sicherheit der Schlüssel. Aber sie kann nicht zurück. Nicht in dieses Haus.
Benommen hastet sie weiter, durch ein schmiedeeisernes, schwarzes Tor in einer Bruchsteinmauer. Der Himmel ist so weit, dass ihr schwindelig wird. Die Berge um sie herum nehmen Konturen an, sehen aus wie am Himmel aufgehängt, mit schneebedeckten Kämmen und Gipfeln. Ihre Beine erinnern sich an das Training. Immer einen Schritt nach dem anderen, nur schneller, immer schneller, die StraÃe entlang.
Sie dreht sich um, sieht die Bruchsteinmauer, dahinter das Haus, sein Haus, ein kalter schmutziger Bungalow, einsam, förmlich in den Berg gerammt. Die StraÃe führt bis vor seine zweiflügelige Haustür, wo sie endet wie vor einem hungrigen Maul.
Aber du müsstest weit laufen, Liz, wirklich weit.
Und wie ich laufe, du ScheiÃkerl!
Vor ihr liegt die StraÃe, die sich den Berg hinabwindet, zu beiden Seiten des Asphalts Wald. Liz läuft weiter, in den Schutz der Bäume, atemlos, immer weit genug weg von der StraÃe, aber auch immer parallel zu ihr. Mehrmals knickt sie an den steilen Hängen um, Zweige schlagen ihr ins Gesicht und auf den Körper, ihre nackten FüÃe quälen sich über den steinigen Boden. Irgendwann beginnt sie, erbärmlich zu frieren. Vögel schimpfen in den Bäumen über ihr. Sie bleibt stehen, zerreiÃt die Plastikfolie, pellt das Kleid hervor â und stöhnt.
Haute-Couture.
Auf ihrer Schulter sitzt ein höhnischer kleiner Teufel, der sie auslacht.
Immerhin, denkt sie trotzig. Besser als nichts.
Das Kleid ist schwarz, und sie wünscht sich die Dämmerung herbei, obwohl sie weiÃ, dass der Tag eben erst begonnen hat.
Kapitel 40
Berlin â 25. September, 18:42 Uhr
Gabriel hat die Augen geschlossen, als könnte ihn das vor dem Schmerz retten, als könnte er so diesen ganzen Wahnsinn wieder vergessen.
Luke! Hey, Luke â¦
Gabriel reagiert nicht. Alles fühlt sich wund und taub an.
Und? Hat es dich jetzt weitergebracht, in diesen verdammten Keller hinabzusteigen?
Weitergebracht?, hallt es in seinem Kopf, ohne dass er eine passende Antwort findet.
Sieh dich doch an, du machst ein Wrack aus uns. Und wofür?
Stille.
Dann, ganz leise, der Gedanke: Vielleicht sollte ich dich loswerden â¦
Loswerden? Mich? Das meinst du nicht ernst.
Und wenn doch?
Luke! Wir ⦠wir haben uns immer gut verstanden ⦠WeiÃt du, wie oft ich dich gerettet habe?
Vielleicht. Ja.
Vielleicht?
Ich weià nicht, ob du mich gerettet hast.
Was?
Vielleicht wäre ich ohne dich besser dran gewesen?
Gottverdammt, bist du ein undankbares Arschloch. Wer hat dafür gesorgt, dass du dich zusammenreiÃt? Dass du nicht dauernd rumheulst? Wer hat dafür gesorgt, dass du stark bist? Wer zum Teufel hat dafür gesorgt, dass die anderen dich nicht kaputtmachen?
Ich weiÃ. Ja.
Und trotzdem ziehst du SIE vor?
Darum geht es gar nicht.
Doch, darum geht es. Seit sie da ist, bist du  ⦠unberechenbar. Eine Gefahr für dich selbst â¦
Ich bin mir nicht sicher.
Noch kannst du es
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