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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ist, sondern starrt auf das Muster in der Mitte des Holzfußbodens: Auf einer scharf umrissenen rechteckigen Fläche von etwa zwei Quadratmetern liegt fast keine Glasscherbe. Dafür bilden am hinteren Ende des Rechtecks die Scherben eine breite Linie.
    Eine Tür im Boden. Und irgendjemand hat sie erst kürzlich benutzt!
    Sein Puls rast, als er die Tür in die Höhe hebt und die Stufen hinuntersieht, auf eine verschlossene Tür in der Wand.
    Wie im Fieber steigt er die Treppe hinunter und tastet die Ränder der Tür ab. Keine Klinke, keine Öffnung für einen Hebel. Das Tastenfeld für das Codeschloss ist bündig in den Putz eingelassen. Als er mit den Knöcheln seiner Hand gegen den Putz klopft, klingt es hohl.
    Rasch stürmt er die Stufen hinauf, und sein Blick springt zwischen den Scherben und Blumenkästen hin und her. Dann findet er, was er sucht: eine kleine Handschaufel aus Metall.
    Die Schaufel bohrt sich in den Mörtel um das Tastenfeld wie eine Spitzhacke. Brocken für Brocken löst sich der über viele Jahre durchfeuchtete Zement. Als das Loch groß genug ist, hebelt Gabriel die Platte einfach aus der Wand. Der Rest ist Routine, dank seiner Jahre bei Python.
    Als er die Kabel kurzschließt, springt das Türschloss mit einem leisen Klicken auf.
    Gabriel öffnet die Tür.
    Eine Tür zu einem geheimen Keller , schießt es ihm durch den Kopf.
    Er blockiert den Schnapper des Türschlosses und späht ins Halbdunkel. Die scharf geschnittenen Betonwände verlieren sich weiter hinten in der Dunkelheit. Der Gang scheint in Richtung Villa zu führen. In seinem Bauch setzt ein unerklärliches Ziehen ein. Angst , denkt er verblüfft. Nicht die Angst, die er um Liz hat. Nicht die Angst, die er hat, wenn ein Rottweiler nach seiner Kehle schnappt oder jemand versucht ihn zu erwürgen. Das Ziehen im Bauch ist eine tiefer sitzende Angst, ursprünglicher, direkt aus seinem Innersten. Er starrt ins stockdunkle Zentrum des Gangs. Eine ungeheure Anziehungskraft geht von dort aus, und er setzt sich in Bewegung.
    Nach zehn Metern ist er da, wo die Wände in die Dunkelheit abtauchen. Jetzt kann er noch etwas weiter sehen, denn seine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Nach ein paar Metern wird der Beton von nackten Ziegelwänden abgelöst. Ein starker Luftzug fährt ihm in den Nacken, und seine Haare sträuben sich, als sei er ein junger Hund.
    Er wirft einen Blick zurück. Durch die Tür dringt strahlendes Morgenlicht, frisch und blassblau. Ein Luftstrom fährt ihm ins Gesicht, und plötzlich wird der Lichtstrahl schmaler, noch schmaler, dünn wie ein Spalt – dann fällt die Tür ins Schloss, erstaunlich leise, dennoch klingt es für Gabriel wie das Aufeinanderprallen zweier Güterzüge.
    Unnatürliche Stille hüllt ihn ein.
    Totenstille.
    Das Einzige, was er hört, ist sein Atem.
    Wieder spürt er dieses Ziehen im Magen. Er weiß, dass er es früher oft hatte, als Kind.
    Seine Hände berühren die rauen, etwas feuchten Ziegelsteine, und er tastet sich daran entlang, als wären es nackte Füße, die ihn treppabwärts führen. Weiter, immer weiter, ins Zentrum hinein.
    Beherrsch dich, Luke, beherrsch dich. Einer wie du hat keine Angst!
    Ich bin nicht Luke! Ich bin Gabriel.
    So, flüstert die Stimme hämisch, du glaubst, dass du es ohne mich schaffst?
    Â»Ich weiß nicht, was ich glaube«, flüstert Gabriel zurück.
    Dann hör gefälligst auf, den Großkotz zu markieren. Das hier ist größer als du. Ein klein wenig Hilfe solltest du nicht ausschlagen. Luke hätte das auch nicht getan!
    Das Ziehen nimmt überhand, sein Körper scheint zu schrumpfen. »Ich bin nicht Luke. Ich bin Gabriel!«, presst er hervor. Seine Worte hallen als vielstimmiges Flüstern im Gang wider und verebben. Seine tastenden Schritte scharren über den leicht abwärtsführenden Boden.
    Es ist mehr ein Instinkt, der ihn die linke Hand nach vorne ausstrecken lässt, als die klare Vorstellung, dass jeder Gang irgendwann endet und man nicht gegen dieses Ende prallen will.
    Als seine Fingerspitzen die Holztür spüren, stoppt er jäh. Er tastet die Tür ab, bis hinunter auf Hüfthöhe, und findet das kühle Metall einer Klinke.
    Sein Herz galoppiert. Viel zu schnell, viel zu laut. Als stünde er vor dem Labor seines Vaters.
    Er weiß, dass er die Tür öffnen

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