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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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zurück.
    Nicht dran denken! Nur nicht dran denken … Er sah beiseite, auf die Fotos, auf das ganze Durcheinander, nur weg von dem Monitor.
    Was du nicht siehst, ist nicht da!
    Aber es war da. Irgendwo im schwarzen Loch. Aus dem Videorecorder drang ein leises, schleifendes Geräusch. Er wollte die Augen zukneifen und an einem anderen Ort wieder aufwachen. Egal wo. Nur nicht hier. Immer noch hockte er vor seinem gespenstischen Spiegelbild in den Monitoren.
    Plötzlich überkam ihn der verzweifelte Wunsch, etwas Schönes zu sehen, vielleicht Star Wars . Seine Finger steuerten, als hätten sie einen eigenen Willen, auf die anderen Monitore zu.
    Fump. Fump. Die beiden oberen Monitore blitzten auf. Zwei flaue Videobilder kristallisierten sich und warfen einen stahlblauen Schimmer in das rote Laborlicht. Das eine Bild zeigte den Hausflur und die geöffnete Kellertür; die Treppe wurde von der Dunkelheit verschluckt. Das zweite Bild zeigte die Küche. Die Küche und – seine Eltern. Aus dem Lautsprecher drangen ihre Stimmen.
    Â»Du kotzt mich an«, stammelte seine Mutter.
    Â»Scheiße, spiel dich nicht so auf! Du tust so, als hätte ich das selbst gemacht.«
    Â»Nein. Du bist … noch schlimmer«, flüsterte sie. »Du siehst zu und machst nichts. Durch deine verfluchte Kamera, so als geht’s dich nichts an. Oder doch. Es geht dich ja was an. Du kriegst, was du willst. Wie ist das? Hast du gejubelt, als das junge Ding krepiert ist? Job erledigt? Geld ist schon unterwegs?«
    Â»O Gott! Bitte. Du weißt nicht, wie das ist. Ich … ich komm da nicht mehr raus. Ich bin genauso Opfer wie …«
    Â»Ah! Nein. Sag das nicht. Sag das bloß nicht.« Mutters Stimme wurde hysterisch. »Du bist widerwärtig. Ein Monster. Ich bleibe keine Sekunde länger hier, weder ich noch die Kinder. Ich packe jetzt die Koffer, und morgen gehe ich zur Polizei.«
    Â»Das kannst du nicht tun, du hast ja keine Ahnung.«
    Â»Und wie ich kann. Versuch bloß nicht, mich aufzuhalten. Ich –«
    Â»Das lass ich nicht zu. Eher bringe ich dich um.«
    Totenstille.
    Gabriel krallte die Fingernägel in die Handflächen. Eher bringe ich dich um. Der Satz hing in der Luft wie ein Schuss.
    Seine Mutter starrte seinen Vater an, fassungslos.
    Â»Du hast ja keine Ahnung«, wiederholte Vater. »Was glaubst du, was das für Leute sind. Eher bringen die uns alle um, als dass die zulassen, dass so was passiert.«
    Â»Das können die nicht … machen …«, stotterte sie, und dann: »Du hast Angst, dass sie dich umbringen. Das ist es.«
    Â»Das müssen die gar nicht selbst machen. Die haben Leute dafür. Die haben so viel Geld, die finden immer jemand. Und wenn’s sein muss, dann bringen die uns alle um. Erst euch, damit ich’s mit der Angst kriege – und dann mich. Kapierst du das, verdammt?«
    Â»Du bist irre.«
    Â» Du bist hier die Irre. Warum bist du nur so scheißnaiv?«
    Â»Naiv? Naiv nennst du das? Mir reicht es. Ich gehe jetzt.« Sie wollte an ihm vorbei, aber er stieß sie zurück, riss eine Küchenschublade auf und hatte plötzlich ein breites langes Fleischmesser in der Hand.
    Â»Du – bleibst – hier.«
    Â»Das … das traust du dich nicht.«
    Bis zu diesem Augenblick hatte er geglaubt, der entsetzliche Film sei das Schlimmste, was er je zu sehen bekäme. Jetzt saß er vor den Monitoren und konnte nicht glauben, was er da hörte. Seine Augen waren weit geöffnet. Er presste die Hände vor den Mund, um nicht zu schreien, starrte auf das Bild, auf seine Mutter und seinen Vater, und wünschte sich, er wäre blind! Blind und taub.
    In seinen Augen sammelten sich Tränen; alles verschwamm in einer roten Brühe. Der chemische Geruch, vermischt mit dem Erbrochenen vor der Tür, ließ ihn würgen.
    Er versuchte zu denken, doch sein Kopf wollte bersten. Er wünschte sich, dass jemand kommen würde, ihn in den Arm schließt, alles wegerklärt.
    Aber niemand würde kommen. Er war alleine.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Keulenschlag. Ihm wurde eiskalt. Er richtete sich auf, stemmte die Beine in den Boden. Er musste etwas tun. Er war der Einzige, der jetzt noch etwas tun konnte.
    Nur was?
    Was würde Luke tun?
    Leise, mit nackten Füßen, die den kalten Boden nicht mehr spürten, schlich er die Kellertreppe hinauf. Das rote Zimmer in seinem

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