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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Rücken glühte wie die Hölle.
    Hätte er nur ein Laserschwert.
    Dann fiel ihm das Telefon ein. Das Telefon im Flur. Er musste die Polizei rufen.
    Und genau das tat er, die Polizei rufen. Als er den Hörer wieder auflegte, schloss er die Augen und betete, dass sie rechtzeitig kommen würden. Rechtzeitig, um zu verhindern, dass ihr etwas geschah.
    Wenn nur Mutter nichts geschah. Wenn nur Vater ihr nichts antat! Er hatte ausgesehen wie ein Monster. Ob die Polizei wohl schießen würde? Sicher, wenn es ein Notfall war.
    Leise, mit dem Haustürschlüssel in der Hand, trat er hinaus in den Garten und kauerte sich neben die Tür. Der Boden war kalt, aber er spürte davon nichts. Schließlich war alles in ihm so kalt und so heiß, dass er glaubte, zugleich zu erfrieren und zu verbrennen, von innen heraus.
    Als es raschelte und er Schritte hörte, machte sein Herz einen Satz. Einen Freudensprung.
    Â»Nanu? Wer bist du denn?« Die Stimme war unerhört jung. Aber der Mann sah stark aus. Nur warum trug er keine Uniform?
    Â»Ich bin Gabriel … ich … ich hab eben bei Ihnen angerufen. Sind Sie von der Polizei?«, schluchzte er.
    Der Mann kniff die Augen zusammen. Im Licht der Straßenlaterne vor dem Haus sah er aus wie ein Held, einer dieser Superpolizisten in Zivil. »Mach dir keine Sorgen, Junge. Jetzt bin ich ja da.«
    Â»Haben Sie eine Pistole?«, fragte Gabriel, zugleich misstrauisch und hoffnungsvoll.
    Der Mann lächelte wieder und zog eine schwarze, schimmernde Pistole aus seiner Jacke.
    Gabriel wurde es flau vor Glück. Endlich. »Schnell. Sie müssen meiner Mutter helfen, mein Vater ist da drinnen und will sie umbringen, wegen so einer Sache mit … mit einem Video.«
    Wieder kniff der Mann die Augen zusammen, sein Mund war plötzlich ein Strich.
    Entschlossen. Er ist wütend und entschlossen, dachte Gabriel. Wie die Polizisten im Film.
    Er schloss die Tür auf, so leise er konnte, trat mit dem Polizisten in den Flur. Es war seltsam still. »Sie … sind in der Küche«, flüsterte er heiser. »Bitte machen Sie …«, weiter kam er nicht.
    Wie ein Tier stürzte sein Vater aus der Küche auf den Polizisten zu. Die Wucht des Aufpralls ließ beide ins angrenzende Wohnzimmer stolpern. Es krachte, als die beiden zu Boden gingen, die Waffe des Polizisten flog ihm aus der Hand, schlingerte, landete auf dem Boden, vor seinen, vor Gabriels Füßen.
    Er starrte auf seinen Vater, vielmehr auf das Monster, das einmal sein Vater gewesen war und das nun rittlings auf dem Polizisten saß. Er starrte auf die Hände seines Vaters, die den Polizisten würgten, seinen Kopf immerzu auf den Boden hämmerten. Er starrte auf den Mund seines Vaters, der sich bewegte, irgendetwas schrie, das seine Ohren nicht aufnehmen wollten.
    Â»Neiiinn«, brüllte Gabriel. »Hör auf!«
    Vater würgte weiter. Wo war Mutter? Warum kam sie nicht?
    Sie hat Angst, dachte Gabriel. Vielleicht war es auch gut, wenn sie in der Küche blieb.
    Vater würgte immer noch. Das Gesicht des Polizisten wurde blau. Hieß das, dass er starb?
    Er durfte nicht sterben. Nicht der Polizist.
    Sein Blick fiel auf die Waffe vor seinen Füßen. Sie war riesig. Größer als im Film.
    Vielleicht lag es daran, dass er so klein war?
    Seine zitternden Finger packten den rauen Griff. Sie war auch schwerer, als es im Film aussah. Viel schwerer. Er konnte das Metall riechen, das Öl. Es roch wie die Mechanik einer Filmkamera. Waffenöl, dachte er. Vater ölte seine Kameras immer mit Waffenöl.
    Er hob die Pistole. Nicht den Polizisten!, dachte er. Bloß nicht den Polizisten treffen. Die Waffe schwankte vor seinen Augen. Kimme und Korn, das wusste er. Aber wo war das?
    Der Kopf des Polizisten donnerte gegen den Boden. Er wehrte sich kaum noch.
    Ãœber den Lauf zielen. Guck über den Lauf! Sein rechter Zeigefinger reichte kaum um den Abzug herum. Also nahm er beide Zeigefinger. Tränen rannen ihm über die Wangen, als sein Vater hinter dem Lauf der Pistole auftauchte. Er hatte schon einmal geschossen, auf der Kirmes. Der Schießbudenbesitzer hatte ihm ein Gewehr gegeben, uralt, ausgeleiert, und er hatte auf Blechhasen gezielt, während Vater hinter ihm stand und aufpasste. Das hier war anders.
    Das Wasser in seinen Augen ließ alles verschwimmen, die Waffe bebte in seinen Händen. Sein Vater schien zu zittern über

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