Schnitt: Psychothriller
Kind, starrt Gabriel auf Valerius, auf seine Faust, aus der ein Messer ragt.
Ein Messer, das ungewöhnlich dünn ist und Ãhnlichkeit mit einem Skalpell hat, nur dass es deutlich gröÃer wirkt. Die metallisch glänzende Klinge ist auf Liz gerichtet und verschwindet zwischen den Haaren ihres SchoÃes.
»Wag es ja nicht«, droht Gabriel.
»Noch ein kleines Stückchen weiter ⦠wenn ich die Klinge nur noch ein kleines bisschen weiter in sie hineinstecke«, wispert Valerius, »dann läuft ihr Blut auf den Stein. Und dann ⦠noch ein wenig mehr, nur ein bisschen mehr, dann kratze ich an deinem kleinen Sohn, Gabriel. Oder istâs eine Tochter?«
Gabriel beiÃt sich auf die Zunge, bis er Blut schmeckt. Die warme, klebrige Flüssigkeit in seinem Mund und der Geschmack von Eisen verlangsamen seine Gedanken. Die Furcht lähmt ihn; er kann den Blick nicht von der Klinge zwischen Lizâ Beinen abwenden und von ihrem rundlichen Bauch, der aus dem grotesk geschlitzten weiÃen Kleid hervorragt. Er sieht förmlich die Linie, die das Messer nehmen wird, wenn Valerius es aufwärtsreiÃt, so wie er es schon einmal vor fast dreiÃig Jahren in der Krypta getan hat, in dem Video, und so, wie er es mit Jonasâ Mutter getan hat.
»Sieh an, sieh an«, flüstert Valerius. Seine Augen sind auf Gabriels Gesicht geheftet. »Kannst dich wieder erinnern, nicht wahr? Ich sehâs dir an â¦Â« Ãber sein entstelltes, janusköpfiges Gesicht huscht ein brutales Lächeln. »Machtâs dir Angst? Sollte es auch. Hast ja schon mal gesehen, wozu ich fähig bin, richtig?«
Gabriel löst die Zähne von seiner Zunge und schluckt das Blut hinunter. Der metallische Geschmack füllt seine Mundhöhle. In Gedanken misst er die Entfernung zu Valerius in Schritten ab. Acht Meter, mehr nicht. Gib mir einen Moment, nur einen! Sein Herz brüllt. Er spielt jeden Schritt und jeden möglichen Schlag durch, bricht Valerius alle Knochen, bricht ihm das Genick, ersticht ihn, aber egal, wie oft er es durchspielt, er kommt immer zu spät.
Valerius starrt ihn im Spiegel an, es ist, als könnte er Gedanken lesen. Dann dreht er sich zu Gabriel um, und seine Augen verlassen für einen Moment den Spiegel. Gabriel schiebt sich ein kleines Stück nach vorne, und als sich ihre Blicke wieder treffen, scheint es, als hätte er sich nicht bewegt. Valerius steht jetzt seitlich, die Hand mit dem Messer ist immer noch zwischen Lizâ Beinen, sein Kopf ist Gabriel zugewandt, und er sieht ihn direkt an. Der rotglühende Punkt in seinem Auge ist verschwunden, stattdessen ist der Punkt im Spiegel hängengeblieben und leuchtet wie ein drittes Auge auf Valeriusâ Hinterkopf.
Es ist hinter dem Spiegel , denkt Gabriel konsterniert. Das rote Licht ist hinter dem Spiegel.
Valeriusâ ungleiches Gesicht glänzt, sein Mund ist ein hässlicher Schlitz. Das Auge in seiner entstellten Gesichtshälfte starrt Gabriel merkwürdig teilnahmslos an.
»Nimm das Messer weg«, knurrt Gabriel.
Valerius beginnt zu lachen, laut und hemmungslos, und dreht sich wieder um, zu Liz. Rasch macht Gabriel einen weiteren kleinen Schritt nach vorne.
»Warum sollte ich!«, sagt Valerius und sieht auf Liz herab, die sich nicht rührt, obwohl ihr die Fesseln dafür genug Spiel bieten.
»Ich bring dich um, wenn ihr was passiert.«
»Umbringen â¦?« Das Wort hallt zwischen den Wänden der Krypta. »Meinst du, davor fürchte ich mich noch? Das haben wir doch alles schon durch, oder? Erst erschieÃt du deinen Vater und rettest mir das Leben. Und dann stöÃt du mich ins Feuer und machst einen Krüppel aus mir. Hast du mal daran gedacht, dass der Tod auch eine Erlösung sein kann?«
»Glaub mir«, sagt Gabriel, »wennâs so weit ist, gibtâs keine Erlösung, dann gibt es nur noch die ScheiÃangst.«
Valerius kneift die Augen zusammen. »Ist das so? Einer wie du hat Angst davor?« Er legt den Kopf schief, dann lacht er wieder, kalt und seelenlos. »Nein, Gabriel. Nach der ScheiÃangst kommt immer die Erlösung. Das weià ich. Aber die meisten Menschen haben so viel und so lange Angst, bis es zu spät ist. Deswegen kommt die Erlösung dann immer zu kurz. Aber glaub mir, sie ist trotzdem da, man sieht es, in ihren Augen, ganz zum Schluss. Das war bei allen so. Damals, die kleine Mistfotze hier in
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