Schnitt: Psychothriller
dem Lauf der Pistole, wie er da mit beiden Händen den Polizisten erwürgte.
Nicht Mutter! Nicht den Polizisten! Nicht Mutter! Nicht den Polizisten!, hämmerte es in seinem Kopf.
Seine beiden Zeigefinger krümmten sich in gemeinsamer Anstrengung, er schloss die Augen. Fest. Krampfhaft.
Und drückte ab.
Der Schuss warf ihn um.
Er lieà los, die Waffe polterte, er hörte etwas wie einen Sack zu Boden stürzen. Nicht die Augen aufmachen. Nicht!
Er öffnete die Augen.
Der Polizist japste, hechelte. Dann lächelte er ihn atemlos an. Stand auf. Strich ihm über die Wange.
Gabriel zuckte ganz automatisch zurück. Er hasste es, wenn man ihm über die Wange strich. Das hatte Vater nie verstanden.
Der Polizist bückte sich nach der Waffe und lächelte erneut. Wie ein Schatten ragte der Polizist über seinem Vater auf, der am Boden lag, stöhnte und sich den Bauch hielt.
Immer noch lächelnd, schoss der Polizist in Vaters Herz.
Gabriel öffnete den Mund, starrte den Polizisten an, seinen Helden. Nein, nicht Helden. Er sah eher aus wie ein Popstar oder ein Schauspieler. So schön wie ein Starschnitt aus der Bravo  â¦
Sein Herz stolperte.
Das ⦠das ist der Mann aus dem Film!
Alles begann, sich zu drehen, er hatte Mühe, zu atmen. Sein Verstand reichte nicht, um zu fassen, was hier passierte. Seine Seele schon gar nicht.
Mit unsicheren staksigen Schritten sah er seine Mutter aus der Küche kommen, sie sah seinen Vater an, dann ihn, fassungslos.
Nein, schrie es in ihm. O Gott. Nein!
Dann schoss der Polizist auf seine Mutter. Zweimal. Zwei Treffer. Einer der Schüsse ging mitten durch ihr Auge.
»Und jetzt, mein Kleiner«, sagte der Mann aus dem Film und richtete dabei die Pistole auf ihn, »zeig mir, wo dein Vater dieses ScheiÃvideo aufbewahrt, das, von dem du vorhin gesprochen hast.«
Kapitel 53
Berlin â 28. September, 07:59 Uhr
Gabriel starrt in Valeriusâ rotglühendes Auge im Spiegel, das immer noch auf ihn gerichtet ist. Es sind kaum mehr als zwei oder drei Sekunden vergangen, seit er die Tür zur Krypta geöffnet hat. Aber zwischen diesen paar Sekunden liegt eine ganze Nacht, nein, ein ganzes Leben, das aus dem Gleis gesprungen ist.
»Herzlich willkommen«, zischt Valerius. Das Kreuzgewölbe wirft seine Stimme hin und her. Sein Gesicht im Spiegel ist eine hässliche Maske aus Triumph, wildem Zorn und zugleich auch Unruhe.
»Valerius«, sagt Gabriel heiser. Erst jetzt, wo er den Namen ausspricht, weià er, dass er tatsächlich hier steht, mit beiden Beinen in der Wirklichkeit, und nicht in einem seiner Alpträume. Er zittert immer noch und hat das Gefühl, eben erst aus dem Körper eines Vierzigjährigen in den eines Elfjährigen gerissen worden zu sein â und wieder zurück.
»Ich hätte es wissen müssen«, sagt Valerius. »Ich hätte wissen müssen, dass du zu früh kommst. Aber so früh? Du brichst jede beschissene Regel!« Valeriusâ Stimme bebt vor Wut. »Der Dreizehnte!« , brüllt er plötzlich. »Ich wollte, dass du am Dreizehnten hier bist!«
Der Hall dröhnt in Gabriels Ohren.
»Hättest du nicht auf die Einladung warten können?«, faucht Valerius, jetzt wieder im Flüsterton. »Dir reichtâs offenbar nicht, in die ScheiÃe zu treten. Du musst immer noch drin wühlen und sie um- und umdrehen.«
Gabriels Finger knacken, als er die Hände zu Fäusten zusammenballt. Sein Blick fällt auf Liz, die versucht, ihn anzusehen. Ihre Augen sind rot gerändert, und die Furcht in ihrem Blick bohrt sich in Gabriels Herz. Sie öffnet ihre trockenen Lippen. »Hilf mir, Gabrâ¦Â«
»Und DU !«, fährt Valerius sie an. »Halt die Fresse, hörst du? Rühr dich nicht!«
Gabriel hört sein Blut rauschen. Hass flammt in ihm auf und setzt seinen Körper wie von selbst in Bewegung, auf die dunkle Gestalt zu.
Valerius sieht den Hass in Gabriels Augen, und sein Blick flackert.
»Bleib, wo du bist«, brüllt er. Seine Pupillen zucken nach unten, zwischen Lizâ Beine.
Gabriel folgt seinem Blick â
und erstarrt.
Die Wucht des Déjà -vus wirft ihn fast um. Er ist wieder elf, steht im Keller, im Labor, möchte flennen, schreien, davonlaufen. Etwas, das gröÃer ist als er, reiÃt ihn aus seinen Kinderschuhen heraus.
Wieder vierzig, wieder groÃ, und dennoch verloren wie ein
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