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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ich bei meinem Vater auf der Matte gestanden und gesagt: ›Ich bin wieder da.‹ Da wusste er’s. Er hat’s mir angesehen.«
    Â»Hieß es nicht, sie wäre betrunken gewesen?«
    Valerius wiegt den Kopf. »Nein, nein. Viel besser. Es hieß, sie hätte getrunken, aber das sei unter den Tisch gekehrt worden … Das war sein Werk! Und natürlich Sarkovs …«
    Sarkovs  …
    Sarkovs …
    Sarkovs  …, hallt der Name in der Stille nach.
    Â»Sarkov? Yuri Sarkov?«, fragt Gabriel.
    Valerius grinst bitter. »Ein Victor von Braunsfeld macht sich die Hände nicht selbst schmutzig. Beim Sex vielleicht, aber sonst doch nicht. Dafür hatte er Sarkov. Sarkov hat den Dreck weggeschaufelt, und mein Vater hat ihm dafür Jobs verschafft.«
    Yuri. Für Gabriel ist es, als ob ein Vorhang fällt, und dennoch kann sein Blick gar nicht alles erfassen, was da plötzlich vor ihm auftaucht. »Mein Gott«, murmelt er.
    Â»Gott?«, kichert Valerius. »Nein! Mein Vater.« Von einer Sekunde auf die andere ist sein Gesicht wieder todernst. »Mein Vater war Gott, und Gott hat mich bestraft. Anstatt froh zu sein, dass er sie los war, hat er mich bestraft. Sie hat ihn beschimpft, verachtet, sie hat ihn verlassen und ihm seinen Sohn weggenommen. Und er hat sie immer noch geliebt, jedenfalls so, wie er das konnte. Vier Jahre lang hat er mich in meinem Zimmer eingesperrt, ich durfte zur Schule gehen, mehr nicht. Und auch das nur in Begleitung von Aufpassern. Wenn jemand fragte, warum, dann sagte er, dass er Angst vor Kidnapping hätte. Nach der Schule ging es dann in mein Zimmer, immer mit einem von Sarkovs Leuten vor der Tür.«
    Â»Was ist am Dreizehnten passiert?«, fragt Gabriel.
    Â»Was am Dreizehnten passiert ist, willst du wissen? Ich hatte die Schnauze voll. Gestrichen voll. Ich war gerade achtzehn geworden, und vor meiner Tür stand jeden Scheißtag ein Scheißaufpasser. Vier Jahre war ich nicht unten, in meinem Keller, in seiner Krypta. Ich konnte die Limousinen hören, einmal im Monat, wenn sie vorfuhren, und ich wusste, ich kann nicht dabei sein. Vier Jahre Entzug, an Leib und Seele vergiftet. Also hab ich all meinen Mut zusammengenommen und ihm gedroht: Entweder ich darf ab heute dabei sein, oder du liest es morgen in der Zeitung. Genauso wie deine Freunde.« Valerius’ Augen funkeln, er hat sich in Rage geredet, sein ganzer Körper bebt und ist in Aktion. »Und das war’s! Es war unglaublich! Er gab nach.« Gabriel sieht Liz an, die mit zusammengepressten Lippen und Tränen in den Augen auf Valerius’ Arm starrt, den mit dem Messer, das sich im Rhythmus von Valerius’ Sätzen bewegt. Langsam schiebt Gabriel sich weiter vorwärts.
    Â»Ich war am Ziel, verstehst du? Kannst du dir meine Erregung vorstellen? Die Nacht vom 13. Oktober, das war meine Nacht. Hast du’s gesehen? Das Video?«
    Gabriel nickt.
    Â»Alles? Hast du alles gesehen?«
    Â»Hab ich«, presst Gabriel hervor.
    Â»Ich wusste es. Ich hätte dich direkt töten sollen. Es sollte keine Zeugen geben. Keine!« Valerius schweigt einen Moment. »Und die anderen Filme?«, fragt er schließlich. »Hast du die auch gesehen?«
    Â»Andere Filme?«
    Valerius starrt ihn fast belustigt an. »Glaubst du etwa«, flüstert er höhnisch, »das war der einzige Film, den dein Vater hier gedreht hat?«
    Der Satz hallt unter der Gewölbedecke nach und trifft Gabriel ins Mark. Von einem Augenblick zum nächsten ist er wieder im Labor, inmitten von Fotos, Filmrollen, Videokassetten und Kameras. Natürlich! Wie konnte er nur so dumm sein!
    Valerius’ Gelächter dröhnt schmerzhaft in seinen Ohren. »Mein Vater war da stockkonservativ. Wer sich einmal mit Drecksarbeit bewährt hatte, den hat er nicht mehr losgelassen. Auch nicht deinen Vater. Wolf Naumann! Was glaubst du, womit dein Vater euer spießiges kleines Häuschen bezahlt hat? Dein Vater war nur dazu da, die Unersättlichkeit meines Vaters zu verewigen, auf ein paar Zelluloid- und Magnetbandstreifen. Was glaubst du, wie oft er da gestanden hat?« Valerius deutet mit dem Kinn auf den großen Spiegel hinter Liz. »Und wie oft er durch die Scheibe gefilmt hat?«
    Gabriel starrt in den Spiegel, in Valerius’ zerrissenes Gesicht, und sieht sich selbst, wie er da hinter Valerius’ Schulter hervorlugt, so klein, so unendlich weit

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