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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Gesicht geheftet, während seine Füße sich bei jeder kleinen Unaufmerksamkeit von Valerius zentimeterweise vorwärtsbewegen.
    Â»Als ich rausgekrochen bin, lag das Haus in Schutt und Asche. Es war immer noch Nacht, und überall waren Feuerwehr und Polizei. Ich hatte Glück, bin durch die Gärten abgehauen, ohne dass mich jemand gesehen hat. Und dann bin ich hierher, nach Hause, mit all dem hier.« Valerius deutet auf sein Gesicht und die Armprothese. »Mein Vater hat mich beruhigt wie ein kleines Kätzchen, hat mir ein Schlafmittel gegeben, etwas gegen die Schmerzen und was sonst noch nötig war. Einer seiner sauberen Freunde war dann da, ein Arzt. Hat mich verbunden, was halt so ging in dem Moment. Gott, war ich naiv. Ich war ihm so dankbar. Als ich aufgewacht bin, war ich hier unten. Eingesperrt und festgekettet.
    Und dann steht er vor mir und sagt: Wo ist der Film? Hast du den Film?
    Ich bin noch gar nicht in der Lage, ihm zu antworten, aber ich denke: Sieh mich an, sieh mich doch an, siehst du nicht, wie ich leide? Mein Gesicht, meine Haut … und du fragst nach dem Scheißfilm?
    Und er brüllt einfach weiter: Wo ist der Film? Immer nur: Wo ist der Film?
    Da wusste ich, er ist wie alle anderen. Er hat Angst. Einfach nur Angst. Nicht um mich, nur um sich selbst.
    Und jetzt kommt’s. Ich hab ihm schließlich einfach gegeben, wonach er die ganze Zeit verlangt hat. Weißt du, was ich ihm gesagt habe? Ich habe gesagt, scheiß auf den Film, ich geb ihn dir nicht. Ich hab ihn. Hab ihn versteckt, in Mutters Haus, im Kadettenweg. Hatte ich natürlich nicht. Die verdammte Videokassette ist in der Hitze geschmolzen, wie alles andere im Labor auch. Aber ich hab ihm gesagt, ich hätte sie versteckt, und er hat’s geglaubt.
    Es hat ihn irre gemacht. Vollkommen irre. Auch als ich ihm gesagt habe, dass alle tot wären, bis auf dich. Wie alt ist der Junge?, hat er gefragt. Was hat er gesehen?
    Aber am schlimmsten war für ihn die Vorstellung, dass dieser Film irgendwo liegt und irgendjemand ihn darauf erkennt, das hat ihn in den Wahnsinn getrieben. Als er merkte, dass er aus mir nichts rausbekam, hat er das ganze Haus nach dem Film durchwühlt. Aber er hat nichts gefunden. Es gab ja auch nichts zu finden«, lacht Valerius bitter. Seine Hand mit dem Messer bebt. Liz beißt sich auf die Lippen und versucht krampfhaft, ihre Hüftbewegung der Klinge anzupassen.
    Â»Irgendwann hat er aufgegeben. Er hat wohl einfach die Tür abgeschlossen, den Schlüssel Sarkov in die Hand gedrückt und die Villa verrotten lassen. Vielleicht hat er auch gedacht, ich werde es ihm sagen, wenn er nur lange genug wartet. Und dann hat er mich in die Schweiz gebracht, vielmehr Sarkov hat mich in die Schweiz gebracht und dort lebendig begraben. Mehr als achtundzwanzig Jahre lang, unter einem verschissenen Schweizer Chalet, in einem Kellerloch, extra für mich in den Felsen gehauen.«
    Gabriel stockt der Atem. Für einen kurzen Moment, wie das Aufblitzen einer Taschenlampe in einem dunklen Stollen, begreift er, wie entsetzlich verloren Valerius sich gefühlt haben muss.
    Â»Achtundzwanzig Jahre habe ich gebraucht, um mich zu befreien.« Er sieht auf Liz hinab. »Und deine kleine Hexe hier, die hat es schon nach ein paar Wochen geschafft. Aber weit bist du nicht gekommen, oder?«
    Liz’ Antwort ist ein leises Stöhnen.
    Jetzt, denkt Gabriel. Noch ein Stück!
    Â»Bleib ja, wo du bist«, brüllt Valerius scharf und drückt die Klinge weiter vor.
    Liz stößt einen Schmerzensschrei aus und hyperventiliert. Ihre Knie, die links und rechts von Valerius in die Höhe ragen, zittern heftig.
    Das Blut in Gabriels Eingeweiden gefriert.
    Wie weit noch? Sechs Meter? Sechseinhalb?
    Auch wenn Valerius Distanzen schlecht einschätzen kann und offenbar nicht merkt, dass Gabriel ihm inzwischen ein ganzes Stück näher gerückt ist, ist er immer noch im Vorteil.
    Sechs Meter sind zu viel!
    Â»Was zur Hölle«, fragt Gabriel, »hast du jetzt vor? Was willst du von mir?«
    Valerius sieht ihn spöttisch an. »Von dir? Von dir will ich nur, dass du zusiehst. Wie dein Vater. Verstehst du? Ich will etwas von deiner kleinen Liz hier.«
    Â»Was willst du, verflucht?«
    Â»Ich will, dass sie stirbt. Immer und immer wieder.«
    Gabriels Herzschlag setzt für einen Moment aus. »Immer und immer wieder?«
    Â»Am 13. Oktober, das war der Plan«,

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