Schnitt: Psychothriller
Klick.
»Du bist mit Liz Anders zusammen?«, wiederholt David. »Der Journalistin? HeiÃt das, du lebst hier in Berlin, schon länger?«
»Ja.«
» Wie lange?«
»Wie lange ich in Berlin lebe? Oder â«
»Herrgott, ja. Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.«
»Ich war nie weg«, sagt Gabriel.
Wieder ein Dominostein. Klick. Vermutlich überlegt David gerade, wie Gabriel es geschafft hat, ihm zwanzig Jahre nicht zu begegnen.
»Das ist ⦠verrückt«, murmelt David. »Ich â«
»So. Schluss jetzt«, unterbricht der Polizist vor der Zellentür das Gespräch. »Die Zeit ist um. Das reicht.« Seine Hand klopft auf das schmale Bord im Fenster, auf das sonst Teller oder andere Dinge gestellt werden.
»Ich muss Schluss machen«, sagt Gabriel hastig. »Ich meld mich, sobald â«
»He. Schluss, hab ich gesagt. Sofort.« Das Walross donnert mit der flachen Hand mehrmals an die Tür.
»Ja, ja. Schon gut«, sagt Gabriel und reicht ihm den Hörer durch die kleine Ãffnung.« Davids Stimme klingt noch aus dem Hörer.
»Hallo?«, fragt das Walross. »Wer ist denn da?«
Er hört einen kurzen Moment zu, dann schnaubt er verächtlich. »Verdacht auf Mord«, blökt er in den Hörer. Dann drückt er die rote Taste.
Verdacht auf Mord. Der Satz jagt Gabriel einen Schauer über den Rücken, obwohl er weiÃ, wie absurd und haltlos das alles ist.
»Und das soll jetzt ân Anwalt gewesen sein?«, fragt das Walross.
»Ich brauche keinen ScheiÃanwalt«, sagt Gabriel.
Der Polizist schüttelt den Kopf, als hätte ihm eben jemand erklärt, dass die Sonne sich um die Erde dreht und nicht umgekehrt. Mit einer knappen Bewegung knallt er die Klappe vors Fenster.
Hört, hört , hallt es in Gabriels Kopf. Der Bulle ist ja schon extradämlich. Aber gegen dich ist die Speckbacke âne echte Leuchte.
Lass mich in Frieden.
Genau darum gehtâs, Lucky Luke. Frieden. Will ich auch. Nur was du da machst, ist leider bestens geeignet, hier zu versauern. âºIch brauch keinen Anwalt!â¹, was für âne gequirlte ScheiÃe! Glaubst du etwa, David holt uns hier raus? Jetzt, wo der Bulle ihm gesteckt hat, dass es um Mord geht?
Hauptsache, David kümmert sich um Liz.
Liz! Wenn ich das schon höre! Du bringst uns um, weiÃt du das?
Kapitel 15
Berlin â 2. September, 10:58 Uhr
David steht mitten im Flur. Er lässt das Telefon sinken und steckt es in sein Sakko zurück. Verdacht auf Mord.
Er sieht sich nach Shona um, doch sie ist verschwunden. Aus einem der Schnitträume quellen Interviewschnipsel, mehrmals hintereinander dieselben.
Gabriel.
Wie oft hatte er sich vorgestellt, dass er tot ist, an einer Ãberdosis gestorben, oder für immer in einer geschlossenen Anstalt oder einem Gefängnis weggesperrt. Ja, er hatte ihn abgeschrieben. Und mindestens ebenso oft hatte er sich vorgestellt, wie es wäre, wenn sein Bruder noch lebte, wenn er bei klarem Verstand wäre und er mit ihm sprechen könnte, so wie früher, vor dieser grauenvollen Nacht â der Nacht, die ihr ganzes Leben zerstört hatte.
Und jetzt das!
Gabriel lebt in Berlin, schon die ganze Zeit. Und nicht genug damit, er ist auch noch mit Liz Anders zusammen. Er versucht, sich die beiden miteinander vorzustellen, aber er kann es nicht, es entsteht nur ein Knoten in seinem Gehirn.
Einer, der Fernsehen hasst, und eine Fernsehjournalistin?
Die letzte Dokumentation, die David von Liz Anders gesehen hatte, war »Die von Braunsfeld Story«, dreimal 45 Minuten über den siebzigjährigen Milliardär, der seit Jahren kaum mehr in der Ãffentlichkeit in Erscheinung getreten war. Dass sie in Victor von Braunsfelds Villa auf Schwanenwerder hatte drehen dürfen, war eine Sensation, nein, genau genommen war es ein Rätsel. Ganz zu schweigen von dem Interview.
Von Braunsfeld machte seit langem recht erfolgreich einen Bogen um die Presse, unter anderem weil ihm bestimmte Teile des Medienmarktes gehörten, wie zum Beispiel TV 2 und die BMC -Mediengruppe. Das überraschend vertraut wirkende Verhältnis zwischen Liz Anders und Victor von Braunsfeld hatte in den Konkurrenzmedien Spekulationen ausgelöst, doch wer Liz kannte, der wusste, dass sie nicht nur die Gabe hatte, Menschen auf die FüÃe zu treten, sondern auch wusste, wie man es anstellte, die
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