Schnitt: Psychothriller
»Was für ein groÃartiges Kompliment! Fehlt nur noch, dass du mich zum Dank auf ein Stück Würfelzucker mit Kaffee einlädst.«
David muss wider Willen lachen, zum ersten Mal an diesem Tag. »Würde ich glatt machen, aber ich war vorhin oben«, er nickt in Richtung Chefetage, »und hatte den Eindruck, Mr News wartet noch dringender auf einen Termin mit dir, und ich will ihm nicht in die Quere kommen. Du weiÃt ja, wie er ist.«
Shonas Miene wird mit einem Mal starr.
»Hab ich was Falsches gesagt?«, fragt David.
»Dem ist was ganz anderes in die Quere gekommen«, murmelt Shona.
»Bitte?«
»Oh«, sagt Shona verlegen. »Hat sich wohl noch nicht rumgesprochen. Komisch. Irgendwie dachte ich, mir passiert so was nicht â¦Â«
David sieht sie perplex an. Er braucht einen Moment, um zu verarbeiten, was er da gerade gehört hat. »Bug ist wie ein StraÃenköter«, sagt er langsam. »Der muss an jeden verdammten Baum pinkeln und kapiert gar nicht, dass direkt vor seiner Hütte der schönste Baum der ganzen Stadt steht.«
Shona runzelt die Stirn, dann muss sie lachen. »Also das war jetzt das beschissenste und das schönste Kompliment des Tages. Und das in einem Satz. Ich würde sagen, jetzt ist eindeutig Würfelzucker fällig.«
David spürt, dass er rot wird, und fühlt sich wie ein Schuljunge. In diesem Moment schnarrt sein Handy.
Kapitel 14
Berlin â 2. September, 10:51 Uhr
»Wennâs jetzt nicht klappt, dann warâs das mit dem Anwalt, klar?«, raunzt der Polizist mit dem Schnauzbart.
Gabriel sitzt da, den Hörer ans Ohr gepresst, stiert auf den trostlosen Zellenboden und hofft, dass das Walross mit dem Schnauzer voran in einen Schredder gerät. Plötzlich knackt es in der Leitung, und er hält den Atem an.
»Naumann«, meldet sich eine Männerstimme. Davids Stimme war nie sonderlich tief, dennoch klingt sie überraschend erwachsen.
»Hallo«, sagt Gabriel mit belegter Stimme. »Ich binâs.«
Am anderen Ende der Leitung tritt Stille ein.
»David?« Jetzt nicht auflegen, denkt Gabriel.
Immer noch Stille. Und dann, nach einer Ewigkeit: »Gabriel? Bist du das?«
»Ja.«
Davids Atem rauscht ins Mikrophon wie eine Welle, die bricht.
»Ãberrascht?«, fragt Gabriel hölzern.
»Ich ⦠Nein. Geschockt trifft es wohl eher.«
»Hast mich längst abgeschrieben, oder?«
Schweigen.
»Also ja«, murmelt Gabriel. »Ist schon okay. Ich beschwer mich nicht.«
»Wie ⦠wie gehtâs dir?«, fragt David.
Gabriel öffnet den Mund und fragt sich, was er darauf jetzt antworten soll, da hämmert es gegen die Zellentür. Das Walross hält seine Armbanduhr vor das Fenster in der Zellentür und tippt mahnend mit dem Fingernagel auf das gehärtete Glas.
»Hör zu, David«, sagt Gabriel rasch. »Das spielt jetzt alles gerade keine Rolle. Ich muss â«
» Wo zum Teufel warst du?« , platzt es aus David heraus. »Ich dachte, du bist â ich meine ⦠Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Das letzte Mal haben wir uns in der Conradshöhe gesehen. Wie lang ist das her? Zwanzig Jahre? Und jetzt tauchst du einfach so mir nichts, dir nichts aus der Versenkung auf, rufst mich an und tust so, als wäre nichts gewesen?«
»David, es ist wichtig, hör mir zu! Ich hab ein Problem, ich â«
»Du hast immer ein Problem«, sagt David abweisend.
Gabriels Lippen werden schmal. »Es geht nicht um mich. Es geht um meine Freundin. Sie wurde überfallen, im Volkspark Friedrichshain, und jetzt ist sie verschwunden.«
»Das regelt normalerweise die Polizei.«
»Du weiÃt, was ich von denen halte.«
»Eben deswegen«, sagt David. »AuÃerdem bist du ja gerade da, richtig?«
Gabriel verstummt. Sein Blick wandert zum Fenster in der Zellentür, die vom Rücken der grünen Uniformjacke ausgefüllt wird.
»Was willst du von mir, Gabriel? Ich meine, wenn deine Freundin verschwunden ist, warum suchst du sie dann nicht? Was geht mich das an?«
»Du sollst sie ja nicht suchen, um Himmels willen. Ich brauche nur jemanden, der ein paar Anrufe macht, bei Krankenhäusern und anderen Adressen. Ich mach mir Sorgen.«
»Jemanden«, wiederholt David tonlos. Gabriel könnte schwören, dass er gerade den Kopf schüttelt. »Du brauchst jemanden zum
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