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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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jetzt.
    Scheiß der Hund drauf, Luke. Was wartest du noch? Doch nicht etwa wegen ihr?, flüstert eine drängende Stimme in seinem Kopf.
    Ich hab ihr versprochen, dass ich um kurz nach zwölf da bin, denkt Gabriel.
    Das hast du ihr nicht versprochen. Sie hat es nur so verstanden. Nicht dein Problem, wenn sie so zickig reagiert.
    Scheiße, murmelt er.
    Scheiße? Warum? Siehst du nicht, was sie mit dir macht? Kaum lässt du dich auf jemanden ein, wirst du zum Schwächling. Als wüsstest du nicht, wie gefährlich das ist! Kümmere dich lieber um den Alarm.
    Gabriel presst die Zähne aufeinander. Verdammter Alarm. Seit zwanzig Jahren ist er jetzt bei Python, und mit Abstand die meiste Zeit hat er mit Alarmanlagen zugebracht oder mit Personenschutz. Bis vor einigen Monaten hat er sogar auf dem umzäunten Gelände der Sicherheitsfirma gewohnt, in zwei spartanisch eingerichteten Zimmern, kurz vor dem Gittertor zur Straße. Yuri, sein Chef, hatte ihn unter seine Fittiche genommen und ihm Halt gegeben. Morgens Kampfsport-Training, ab 18:00 Uhr das Abendgymnasium und in jeder freien Minute dazwischen Python. Das Problem waren die Wochenenden. Wenn es zu wenig zu tun gab, war die Erinnerung über ihm zusammengeschlagen. Bis er den Unfallwagen in Yuris Garage entdeckte, einen alten Mercedes SL . Yuri überließ ihm das ramponierte Cabrio, und Gabriel, der noch nie etwas mit Autos zu tun gehabt hatte, stürzte sich in die Reparatur, als gelte es, seine Seele zu restaurieren.
    Als der Mercedes fertig war, verschaffte Yuri ihm einen Jaguar E-Type und danach immer andere Klassiker aus den 70ern, so dass die Garage nie leer blieb.
    Das Einzige, was Yuri dafür verlangte, war, dass er seinen Job machte. Und dafür brauchte Gabriel nun wirklich keine Aufforderung, denn wenn es für ihn überhaupt so etwas gibt wie ein Zuhause, dann ist es sein Job.
    Regungslos starrt Gabriel in den Rückspiegel. Der Regen tobt auf der Motorhaube im Schein der Hofbeleuchtung. Seine Augen glänzen farblos in der Dunkelheit, und die drei kurzen, steil aufragenden Falten zwischen seinen Brauen gleichen tiefen Gräben.
    Gabriel dreht den Zündschlüssel. Das Starten des Motors geht im Prasseln des Regens auf dem Wagendach unter. Er wirft den Scheibenwischer an, dann gibt er Gas, und der anthrazitfarbene VW Golf mit dem gelben Schriftzug Python Security prescht über den Hof, an den anderen Wagen des Fuhrparks vorbei, durch das offene Gittertor hinaus auf die Straße, wo der dunkelgraue Wagen in der dunkelgrauen Regennacht verschwimmt.
    Kadettenweg 107.
    Bis vor wenigen Minuten hatten sie noch nicht einmal gewusst, dass diese Adresse bei Python aufgeschaltet war. Der Alarm kam förmlich aus dem Nichts. Bert Cogan hatte mit seinen stets geröteten Augen auf den Monitor in der Zentrale gestiert, als hätte sich dort soeben ein Geisterhaus materialisiert. Cogan arbeitete seit über neun Jahren für Python, die Monitore waren sein persönliches Paralleluniversum, im Villenviertel Lichterfelde kannte er jeden Pixel und jedes Haus, das von Python gesichert wurde. »He, sieh dir das mal an«, hatte er konsterniert gemurmelt.
    Â»Was denn?«, fragte Gabriel.
    Â»Na, das hier!«, raunzte Cogan. Mit seinem bleichen, rissigen Zeigefinger deutete er auf einen rot blinkenden Punkt auf dem Screen. »Kannst du mir erklären, was das für ein Haus ist?«
    Gabriel zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wenn du’s nicht weißt, ich weiß es erst recht nicht.«
    Â»Ich dachte ja nur«, sagte Cogan und nestelte an den Bartstoppeln, die sein fliehendes Kinn überzogen.
    Â» Was dachtest du?«
    Â»Na ja«, murmelte er, »weil du doch schon ’ne halbe Ewigkeit dabei bist …«
    Â»Dass ich schon ewig für Yuri arbeite, ist eins.« Gabriel deutete auf die Monitore. » Das da ist etwas ganz anderes. Hast du mal im Verzeichnis nachgesehen?«
    Cogan grunzte. »Muss ich nicht. Ich kenn das Verzeichnis Lichterfelde. Da ist nichts. Überhaupt nichts.«
    Gabriel runzelte die Stirn und sah auf den stumm pulsierenden roten Punkt mit der 107, direkt neben der dünnen weißen Linie mit der Aufschrift Kadettenweg. Ein seltsames Ziehen kroch von seinem Nacken die Wirbelsäule abwärts.
    Was ist los, Luke? , flüsterte die Stimme in seinem Kopf. Das ist nur ein roter Punkt, wie alle anderen auch. Das hattest du schon tausendmal. Also stell dich

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