Schnitt: Psychothriller
sie hat das Gefühl zu ersticken.
»Schhhh«, macht die Schwester wieder. Sie zieht eine Spritze auf und setzt sie in den Venenzugang.
Liz will sich wehren, doch sie ist zu schwach. Es ist schon schwer genug, zu sprechen und zu atmen. »Wo ⦠wo bin ich hier �«
Die grauen Augen der Schwester scheinen durch sie hindurchzusehen. Dann zuckt sie mit den Schultern.
Liz spürt, wie ihre Kräfte langsam nachlassen, sie hat nicht mehr viel Zeit. »Er wird mich umbringen, oder?«
»Ich weià nicht«, sagt die Schwester, doch ihre Augen verraten sie.
»Bitte«, fleht Liz erneut.
Die grauen Augen weichen zum Nachttisch aus.
Du musst sie mit ihrem Namen ansprechen. Frag sie nach ihrem Namen. »Wie heiÃen Sie?«
»Yvette«, murmelt die Schwester.
»Ich heiÃe Liz. Bitte â Yvette. Helfen Sie mir.«
»Nein«, flüstert Yvette.
Das »Nein« greift wie eine kalte Hand nach Lizâ Herz. Die Angst droht ihren Verstand zu vernebeln. Wieder spürt sie Tränen in ihren Augen. Und diese Kraftlosigkeit. »Können Sie ⦠vielleicht â¦Â«, Liz deutet mit den Augen auf die halbleere Spritze, »⦠ist das auch dieses Zeug? Haldol?«
Yvette nickt.
»Ich hab Angst«, haucht Liz. »So entsetzliche Angst.« Tränen rinnen über ihre Wangen. »Darf ich das ⦠behalten?«
Yvettes graue Augen wandern von Liz zu der Spritze in ihrer Hand.
»Vielleicht habe ich damit ⦠weniger Angst ⦠wenn â¦Â«
Yvettes Augen zucken, nur ein ganz kurzes Blinzeln, dann steckt sie eine Plastikhülle auf die Nadel und schiebt die Spritze rasch unter die Bettdecke. »Bevor es losgeht, spritzen Sie es einfach in den Venenzugang.«
»Bevor was losgeht?«
Yvette schüttelt stumm den Kopf.
Lizâ ganzer Körper wird von einer Gänsehaut überzogen, jedes einzelne Haar richtet sich vor Entsetzen auf. Plötzlich ist es dunkel, so dunkel wie im Park. Sie meint, die ledrige Haut an ihrer Wange zu spüren, seine Stimme ist in ihrem Ohr. Wir machen ein Fest. Am Dreizehnten, hatte er geflüstert. Am Dreizehnten? O Gott! Welcher Tag ist heute? Es kann doch unmöglich schon der Dreizehnte sein.
Ihre linke Hand greift nach der Spritze, ihre Finger schlingen sich um die Plastikhülse wie um einen Rettungsring. Sie hört das Zylinderschloss, den Schlüssel darin. »Wann ist es so weit?«, nuschelt Liz.
»Ist besser, wenn Sie jetzt schlafen«, sagt Yvette, dann schlieÃt sie die Tür hinter sich.
Lizâ Augenlider sind schwer wie Rollläden. Ihre Gedanken verknäulen zu einem Wattebausch. Ein ungeheures Bedürfnis nach Ruhe erfasst sie, auch wenn sie nicht sicher sein kann, ob es wirklich nach diesem Einschlafen ein Aufwachen für sie geben wird.
Aber wenn, beschlieÃt sie â und ihre Finger umfassen die dünne Spritze â, braucht sie eine Waffe.
Kapitel 28
Berlin â 10. September, 08:56 Uhr
Hinter den verfilzten graugrünen Gardinen des Caesars ist ein fahler Morgen heraufgedämmert. Durch das gekippte Fenster weht gedämpfter StraÃenlärm ins Zimmer Nr. 37.
Gabriel liegt auf dem Bett und versucht vergeblich, seine Ungeduld zu zügeln.
Endlich!
Endlich hat er eine Spur.
Vor sechs Tagen hatte er sein BankschlieÃfach geleert. Sechs Tage, in denen er recherchiert hatte, sich die FüÃe platt gelaufen auf der Suche nach einer Spur, immer bemüht, sich zugleich vor der Polizei zu verstecken und ja nirgendwo aufzufallen. Sechs Tage, in denen jedes Mal, wenn das neue Handy mit Lizâ SIM -Karte klingelte, sein Herzschlag raste.
»Hallo? Karla Wiegand hier, von TV 2. Eigentlich wollte ich Frau Anders erreichen. Ist das nicht ihre Nummer?« â »Verstehe. Dann sagen Sie doch bitte Frau Anders, sie soll sich dringend bei Herrn Dr. Bug melden.«
Dann, beim nächsten Klingeln: »Liz? Ich binâs, Verena. Du wolltest dich doch â¦Â« â »Oh. Ach so. Können Sie ihr sagen, dass sie zurückruft? Vanessa Sattler. Wegen der Fössler-Geschichte, dann weià sie schon. Ich hab da ein paar Neuigkeiten.«
Und kaum eine Stunde später: »Ãh, könnte ich bitte Liz Anders sprechen?« â »Ah. Und wann ist sie wieder erreichbar?« â »Es ist wegen von Braunsfeld, sie kennt den Alten ja ganz gut. Ich wollte sie bitten, mir einen Kontakt zu machen.«
Andere
Weitere Kostenlose Bücher