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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Gabriel mit der U-Bahn nach Kreuzberg, zum Kottbusser Tor. Es war ein Risiko; er wusste, dass die Gegend ein beliebter Drogenumschlagplatz war, voll von Junkies und Dealern – und das gerade deswegen dort auch immer wieder die Polizei auftauchte. Aber ihm blieb keine andere Wahl.
    Die Wände des achtstöckigen Gebäudes, in dem sich Münchmaiers Wohnung befand, waren über und über mit dilettantischen Graffiti beschmiert, neben dem Hauseingang lag eine zertretene Spritze. Die Wohnung befand sich im siebten Stock, an ihrer Tür klebte ein Siegel der Kriminalpolizei. Sie hatte in etwa die Größe eines Kaninchenstalls – und roch auch so.
    Der PC bot eine beeindruckende Auswahl an Ego-Shootern, die Internetverläufe wiesen zahllose Pornoseiten auf, und der Posteingang lief über von Spam der entsprechenden Anbieter. Zwischen dem ganzen Müll fiel Gabriel eine Mailadresse auf, mit dem anonymen Kürzel JHERO bei GMX . JHERO schien der Einzige zu sein, mit dem Pit regelmäßig Kontakt hatte. Er notierte die Mailadresse und beschloss, sich später darum zu kümmern.
    Als Nächstes fragte er sich in der Nähe des Kottbusser Tors durch, ob jemand Pit gekannt hatte. Zunächst beschränkte er sich auf Bäcker, Kneipen, Sexshops und Kioske. Er hatte die Kreise immer weiter gezogen, bis er letzte Nacht Glück gehabt hatte, bei einem schmalen, braun gestrichenen Kiosk in einer Seitenstraße, etwa fünfhundert Meter Luftlinie vom Kottbusser Tor entfernt.
    Â»Pit? Ja klar. Der arme Teufel.« Der Besitzer des Kiosks fischte eine Colaflasche aus dem Kühlschrank und drückte seine klobige schwarze Hornbrille zurück auf die Nase. Sein geschwungener Schnauzbart verbog sich zu einem säuerlichen Grinsen. »Hat immer mit Jonas rumgehangen. Wie siamesische Zwillinge, die zwei.«
    JHERO . J für Jonas. Gabriel nahm die Colaflasche entgegen und schob einen Hunderteuroschein über den Tresen. Der Schnauzbart zuckte ärgerlich, wühlte umständlich in seiner Metallkassette und zählte das Wechselgeld auf den laminierten Tresen.
    Â»Wie waren die denn so drauf, die zwei?«, fragte Gabriel und schob das Wechselgeld ein paar Zentimeter zurück, in Richtung des Kioskbesitzers.
    Der Schnauzbart warf Gabriel einen schnellen Blick über den Rand seiner Hornbrille zu, seine Augen wurden eng. Dann starrte er auf das Geld und strich es mit einer raschen Handbewegung ein. »Arm dran, würd ick sagen. Der Pit, der is jahrelang von der Stiefmutter verdroschen worden. Musste sogar mal in die Klinik. Beim Jonas, da war’s der Vater. Hat regelmäßig im Suff hingelangt.« Er schüttelte den Kopf. »Hat sich totgesoffen. Seitdem is besser, für den Jonas, mein ick.«
    Â»Und was macht Jonas im Moment so?«
    Â»Nüscht. Hat einfach Pech gehabt. Wie’s halt so läuft. Hauptschulabschluss, hat ewig gedauert, bis er ’ne Lehre gekriegt hat, und dann geht der Laden pleite. Was macht man da schon … Da würd ick och ab und an mal einen …«, er hebt eine imaginäre Flasche an die Lippen.
    Â»Wo find ich ihn denn, den Jonas?«
    Der Schnauzbart kratzte sich am Kopf, als müsse er gut überlegen, ob er Gabriel weitere Einzelheiten nennt.
    Gabriels bisher recht unbeteiligter Blick wurde für einen kurzen Moment knallhart. »Mehr Geld gibt’s nicht. Und kein Sterbenswörtchen zu Jonas.« Er lehnte sich über den Tresen, und seine Augen bohrten sich in die des Kioskbesitzers. »Sonst zünde ich dir deine beschissene Bude an, klar?«
    Der Schnauzbart blinzelte überrascht. »Klar«, nuschelte er. »Er heißt Schuster. Jonas Schuster. Wohnt bei seiner Mutter.« Er schaute an Gabriel vorbei. »Direkt überm Rex, das ist ein Kino, hier um die Ecke.«
    Um kurz vor zehn schließen sich die Türen der U-Bahn zischend hinter Gabriel. Zehn Uhr ist eine gute Zeit, um Jonas Schuster zu besuchen. Die meisten Nachbarn werden arbeiten, und er selbst ist wahrscheinlich gerade aufgestanden.
    Gabriel geht langsam die Treppe empor, Schritt für Schritt, obwohl er am liebsten laufen würde. Das Schild »U-Bhf Kottbusser Tor« hängt blau und schwer vor dem Himmel über dem Aufgang. Der Tag klebt auf der Stadt wie eine Folie.
    Drei Straßenecken weiter steht Gabriel vor einem fünfstöckigen beigen Haus mit rissigem Putz und schmutzigen Fenstern. Die ersten beiden Stockwerke

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