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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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ganze sechs Wochen, bis er auf ihren Anrufbeantworter sprach – obwohl er das Ding nicht ausstehen konnte.
    Er entschuldigte sich nicht. Das lag ihm nicht. Er verhielt sich noch nicht einmal so, als tue es ihm leid. Er baute einfach nur die Infrarotmelder ab; und Liz hielt sich zurück, ganz im Gegensatz zu ihren sonstigen Gewohnheiten, weil sie begriffen hatte, dass andere Männer vielleicht Angst vor dem Verlust ihrer Arbeit haben, vor einem Sturz von der Leiter, vor Frauen oder davor, sich lächerlich zu machen. Gabriels Angst galt offensichtlich etwas Ungreifbarem, etwas, das aus dem Dunkel über einen hereinbrechen konnte, so als hätte der Teufel gerade seinen Namen aus der Lostrommel gezogen.
    Die nächsten Nächte in der Cotheniusstraße waren unruhig und kurz. Ohne die Elektroden auf der Haut schreckte er ständig hoch und lauschte in die Dunkelheit. Meistens war nichts anderes zu hören als Liz’ Atem, ein gleichmäßiges Auf und Ab, wie eine Meeresdünung.
    Es dauerte Monate, bis er sich eingestand, dass es an diesem Geräusch lag, dass er schließlich in der Cotheniusstraße immer tiefer und besser schlief als an irgendeinem anderen Ort. Wachte er dennoch kurz auf, hatte er manchmal das unwirkliche Gefühl, in seinem alten Kinderzimmer zu liegen, die blaue Bettwäsche über den nackten Zehen, gemeinsam mit David, der in der Dunkelheit atmete, so wie Liz jetzt neben ihm atmete.
    Gabriel fährt sich mit der Hand übers Gesicht und wischt die Erinnerungen fort.
    Er schaut auf sein neues Handy, in dem Liz’ alte SIM -Karte steckt. Das Display zeigt 09:18 Uhr.
    Es ist Zeit zu gehen.
    In der U-Bahn starrt er durchs Fenster auf die Tunnelwand, wo farblose Rohre und Leitungen an ihm vorüberjagen, dicht an dicht und scheinbar endlos, als würden sie die Stadt im Untergrund zusammenbinden.
    Er denkt an Liz’ Anruf, an ihre Stimme, dünn und zerbrechlich. Wieder und wieder hatte er in den letzten Tagen dieses Telefonat im Geiste abgespult.
    Â»Ich bin überfall’n worden. Ich blute … s’alles voll Blut … mein Kopf …«
    Â»Wo bist du?«
    Â»Im Park. Friedrichshain, hier bei mir, um die Ecke … bitte, ich hab Angst …«
    Liz war brutal zusammengeschlagen worden, ihre gebrochene Stimme hatte daran keinen Zweifel gelassen. Aber warum ? Entführer betäuben ihre Opfer, verschleppen sie, bringen sie am Ende manchmal um. Aber was macht es für einen Sinn, das Opfer direkt zu Beginn der Entführung so schwer zu verletzen?
    Selbst wenn der Entführer ein rachsüchtiger Psychopath ist – er hatte doch offenbar einen Plan, und der endet am 13. Oktober. Er wird also wohl kaum riskieren, dass Liz vor dem 13. Oktober stirbt. Warum also diese sinnlose Brutalität? Und warum hatte Liz, nachdem sie zusammengeschlagen worden war, telefonieren können? Wo war der Entführer in diesem Augenblick?
    Mit all diesen Fragen im Kopf suchte Gabriel den Volkspark Friedrichshain auf, lief die nähere Umgebung der Cotheniusstraße ab, bis zu der Stelle, wo er Pit Münchmaier gefunden hatte. Die Kreidespuren, welche die Kripo um die Umrisse der Leiche gezogen hatte, waren verblasst. Dort, wo der Hals des grob skizzierten Körpers eingezeichnet war, hatte das Blut einen dunklen Schatten hinterlassen.
    Je länger er dort stand, desto seltsamer kam ihm das alles vor. Laut der Berliner Zeitung hatte die Polizei bei der Obduktion den Todeszeitpunkt von Pit Münchmaier auf 00:00 Uhr festgelegt, plus/minus zehn Minuten.
    Liz hatte Gabriel um 00:02 Uhr angerufen.
    Ein Mord und eine Entführung – beides zur selben Zeit im selben Park, ganz nah beieinander?
    Ein Zufall?
    Wohl kaum. Irgendeine Verbindung zwischen dem Tod von Pit Münchmaier und Liz’ Entführung musste es geben.
    Also begann er, über Pit Münchmaier zu recherchieren. Münchmaier war nur 24 geworden. Er war arbeitslos gewesen und hatte in Berlin-Kreuzberg am U-Bahnhof Kottbusser Tor gewohnt, in einem der hässlichen Siebzigerjahre-Gebäudekomplexe, die aussehen wie Betonparkhäuser für Menschen. Das Messer, mit dem ihm die Kehle durchgeschnitten worden war, war ungewöhnlich scharf und schmal, nicht etwa die klassische Waffe eines Messerstechers, sondern vielmehr das Werkzeug eines Chirurgen. An Pits Händen waren Schürfwunden und an seinen Schuhen Blutspuren gewesen.
    In der nächsten Nacht fuhr

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