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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Anrufer legten direkt auf, wenn sie Gabriels Stimme hörten, oder entschuldigten sich, sie hätten sich verwählt.
    Der Entführer hüllte sich in Schweigen.
    Bis gestern Abend hatte Gabriel das unerträgliche Gefühl, auf der Stelle zu treten.
    Gabriel atmet tief durch. Staubige Luft wirbelt hinab in seine Lungen. Das Caesars ist weder sauber noch seriös; dafür ist das kleine Hotel unauffällig, ein schmaler, ausdrucksloser Sechzigerjahre-Bau, der sich in eine der zahllosen Lücken duckt, die der Zweite Weltkrieg in die Häuserzeilen von Berlin-Moabit gerissen hat, ganz so, als schäme sich das Hotel dafür, eine Absteige zu sein, und müsse nun untertauchen, so wie seine Gäste auch.
    Gabriels Zimmer, die Nummer 37, liegt im dritten Stock, am Kopfende eines Gangs, dessen Wände mit fleckigem, beige gemustertem Teppichboden ausgekleidet sind. Drei Meter von der Zimmernummer 37 entfernt hängt ein feuerroter Kasten mit einem betagten Feuerlöscher an der Wand. Das Erste, was Gabriel nach seiner Ankunft im Hotel getan hatte, war, den roten Kasten zu öffnen, ein kleines Loch in die Klappe zu bohren und dahinter eine Infrarotschranke zu installieren.
    Â»Was um alles in der Welt tust du da?«, hatte Liz ihn konsterniert gefragt, als er damals im Hausflur der Cotheniusstraße die kleinen Plastikgehäuse für die Infrarotschranke versteckte.
    Â»Vorsichtsmaßnahme«, brummte er. Er übernachtete zum dritten Mal bei ihr, und die ersten beiden Male hatte er sich mühsam beherrscht.
    Liz rollte zunächst nur mit den Augen. Als er sich jedoch beim Zubettgehen die beiden Elektroden auf den Unterarm klebte, starrte sie ihn an wie einen Nerd. »Oh, mein Gott. Ist es das, was ich denke?«
    Â»Keine Ahnung, was du denkst«, sagte Gabriel. Er hatte nicht die geringste Lust, das zu diskutieren. »Gehört zu den Infrarotmeldern im Flur. Wie gesagt, nur ’ne Vorsichtsmaßnahme.«
    Â»Und was genau macht deine Vorsichtsmaßnahme ?«
    Â»Nicht viel. Es kribbelt.«
    Â» Es kribbelt? Willst du mir ernsthaft erzählen, dass du hier gerade eine Alarmanlage installierst, die dir einen Stromstoß versetzt, wenn jemand meiner Tür zu nahe kommt?«
    Â»Nur ein kleiner Reizstrom. Es reicht, um davon wach zu werden.«
    Â»Aber … tut’s nicht eine normale Alarmanlage, ich meine irgendein Piepsen oder so etwas?«
    Â»Viel zu laut. Das würde ja jeder hören.«
    Liz’ grüne Augen wanderten hinab auf die Elektroden, dann wieder hinauf. »Scheiße! Ich schlafe mit einem Kerl, der eine ausgewachsene Paranoia hat.«
    Â»Jetzt mach keinen Aufstand. Es ist nur –«
    Â»Wenn’s wenigstens noch ein Sexspielzeug wäre, zur Stimulation oder so«, stöhnte sie. »Damit könnte ich ja noch leben. Aber das hier  …«
    Gabriels Miene wurde abweisend, das Licht der Nachttischlampe warf lange Schatten auf sein Gesicht.
    Das hier begleitete ihn seit einer halben Ewigkeit. Seit er die Psychiatrie verlassen hatte, installierte er immer Infrarotmelder. Die Technik war simpel, effizient und in jedem größeren Elektrohandel für wenig Geld zu haben. Das hier war seine Gutenachtgeschichte. So wie es ihn als Kind beruhigt hatte, dass Geschichten, die so unglaublich aufregend waren, trotzdem immer ein gutes Ende fanden, so wusste er jetzt, dass alles, was im wirklichen Leben passieren konnte, ebenfalls die Chance auf ein gutes Ende hatte – solange er selbst dafür sorgen konnte. Und er konnte nur dafür sorgen, wenn er rechtzeitig gewarnt wurde.
    Â»Warum bist du so verdammt empfindlich?«, sagte er. »Ist doch auch zu deiner Sicherheit.«
    Â»Ich pfeife auf meine Sicherheit. Das Letzte, was ich will, ist, Teil deiner Paranoia zu werden.«
    Â»Was geht dich das an? Es ist doch meine Entscheidung, wie ich schlafe.«
    Â»Und es ist meine Entscheidung, mit wem ich schlafe!« Ihre Augen funkelten, die roten Haare waren störrisch wie Kupferdraht.
    Â»Dann war’s das«, sagte er und griff nach seiner Tasche.
    Sag’s ihr, Luke. Sag der kleinen Journalisten-Hexe, dass sie dich mal kann, jubelte die Stimme in seinem Kopf.
    Gabriel sagte nichts.
    Er verließ schlicht die Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. Dass es für einen solchen Stunt längst zu spät war, wusste er schon in dem Moment, als die Tür hinter ihm ins Schloss krachte. Aber er brauchte

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