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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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seinem Kopf herrscht plötzlich Stille.
    Nur das Prasseln des Regens ist zu hören, und ein unsteter Wind zerrt an Gabriel. Wie im Fieber wühlt er weiter, seine Fingerkuppen scheuern wund, bis er endlich etwas Weiches, Knisterndes berührt. Vorsichtig zieht er an dem Plastikzipfel und löst ein verschnürtes Bündel von der Größe einer Zigarettenschachtel aus der Erde. Mit zitternden Fingern zerreißt er die Klebestreifen und entfernt mehrere Schichten Plastikfolie.
    Der Schlüssel ist klein, schimmert silbern und ähnelt einem kurzen Metallstab, auf dem die Bohrmulden für den Schließmechanismus eingefräst sind. Auf der Räute, dem Endstück, ist weder eine Gravur noch sonst irgendein Verweis auf die Herkunft des Schlüssels.
    Bei der Vorstellung, wie er stinkend, tropfnass und gekleidet wie ein Penner in die Filiale der Credit Suisse am Ku’damm marschiert und dort sein Schließfach öffnet, muss er lächeln.
    Und vor allem lächelt er, weil jetzt ein warmes Bett, trockene Kleidung und ein neues Handy zum Greifen nah sind. Gabriel richtet sich mühsam auf, wischt seine Hände an der Hose ab und steckt den Schlüssel in seine Hosentasche, zu der SIM -Karte von Liz’ Handy.

Kapitel 27
    Nirgendwo – 9. September
    Liz’ Blick wandert träge durch den Raum. Immer wieder schläft sie ein, und da es kein Tageslicht gibt, hat sie kein Gefühl dafür, wie viel Zeit vergangen ist – auch wenn das Licht in gewissen Abständen aus- und wieder eingeschaltet wird und so stoisch einen Rhythmus vorgibt.
    Das einzige Geräusch, das sie hört, ist ihr Atem. Immerhin, es ist ihr eigener Atem, den sie hört, und nicht das maschinelle Pumpen der künstlichen Beatmung; der Tubus ist längst aus ihrem Hals entfernt, doch die Luft schmirgelt immer noch an ihren wunden Atemwegen.
    Inzwischen kennt sie jeden Zentimeter in ihrem Gefängnis. Die massive Metalltür mit dem von außen zu öffnenden Sehschlitz, die vergitterten Neonröhren, die weiß überstrichenen Ziegelwände, die Betondecke, den in den Boden eingelassenen Abfluss in der Zimmermitte, als gelte es, irgendwann ihre Reste in die Kanalisation fließen zu lassen, die zwei vergitterten Lüftungsrohre, eins in der Decke für die Abluft, eins nah am Boden für die Luftzufuhr, die kleinen Schlitzschrauben, mit denen die Gitter verankert sind, den Nachttisch neben ihr, die Infusion, die Geräte, den Beutel für ihren Katheter.
    Wieder und wieder bleibt ihr Blick an der Infusion hängen, und sie fragt sich zum tausendsten Mal, welche Medikamente aus den durchsichtigen Plastikbeuteln in ihre Blutbahnen fließen.
    Dann hört sie den Schlüssel, der sich im Türschloss dreht. Augenblicklich erstarrt ihr Körper, ihr Mund wird trocken und die nackte Haut unter dem Krankenhausleibchen von einem dünnen Schweißfilm überzogen. Lass es nicht ihn sein. Bitte nicht ihn!
    Ihr Gebet wird erhört. Die Schwester betritt stumm den Raum, schließt hinter sich ab, tauscht schweigend die Infusion aus. Am ersten Tag hatte sie wenigstens noch ein paar Worte gesprochen. Seitdem ist sie verstummt. Dabei braucht Liz im Augenblick nichts mehr als den Klang einer Stimme, nur ein paar Sätze oder auch nur ein paar Worte.
    Liz öffnet den Mund, will etwas sagen. Ihre Zunge ist ein pelziges lallendes Etwas. »Ws gebn Sie …«, quillt eine fremde Stimme aus ihrem Mund, »was gebn Sie mir da?«
    Die Schwester wirft ihr einen raschen Seitenblick zu, antwortet aber nicht.
    Â»Wegen meinem Baby«, krächzt Liz.
    Wieder ein Seitenblick. Die Andeutung eines Lächelns huscht über das Gesicht der Schwester. Sie hat eine schnurgerade Nase und – würde sie tatsächlich lächeln – Grübchen. »Ihr Baby ist okay.«
    Â»Bitte. Was is da drin?«, insistiert Liz.
    Die Schwester sieht zur Tür, dann wieder zu Liz. »Ein Neuroleptikum. Macht Sie ruhiger. Für’s Kind nicht so schlimm.«
    Nicht so schlimm. »Wer … ist er?«
    Die grauen Augen der Schwester weiten sich unmerklich, und sie sieht sich rasch um. »Ssscht«, zischt sie leise und lehnt sich vor. »Halten Sie besser den Mund.«
    Â»Helfn Sie mir, bitte«, fleht Liz.
    Die Schwester sagt nichts, schüttelt nur den Kopf.
    Liz’ Augen füllen sich mit Tränen, die aus den Winkeln hinablaufen. Eine tiefe Verzweiflung nimmt ihr die Luft,

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