Schnitt: Psychothriller
FuÃboden gefallen war, mit einem schweren Schlüsselanhänger im Stil der siebziger Jahre, mit einer groÃen 37 und einem Schriftzug in römischen Lettern: CAESARS BERLIN .
Kapitel 34
Nirgendwo â 21. September
Liz liegt auf dem Rücken und dämmert vor sich hin. Seit einer geraumen Weile ist das Licht wieder an, es ist Vormittag, der 21. September, sofern sie die Hell-Dunkel-Wechsel richtig gezählt hat. Die Infusion speist stetig Tropfen in ihre Venen, und inzwischen ist sie sicher, dass es vor allem an den Nebenwirkungen dieser Tropfen liegt, dass ihre Mundhöhle sich anfühlt, als hätte sie Staub gegessen.
Dazu kommt der Harndrang. Seit ihr der Blasenkatheter gezogen wurde, muss sie warten, bis sie auf die Toilette gehen kann. Dafür fällt es ihr nachts jetzt leichter zu trainieren â der Katheter war eine echte Qual.
Ungeduldig schielt sie in Richtung Tür. Eigentlich hätte Yvette schon längst da sein müssen, wie jeden Vormittag, um ihr nach dem Frühstück auf den Toilettenstuhl zu helfen.
Frühstück.
Das klingt gut, so wohltuend nach Normalität. Tatsächlich ist es ein bitterer Getreidebrei mit Obst und Wasser. Gesund, aber widerlich.
Wenigstens lässt er mich nicht verhungern.
Der Schlüssel knirscht im Türschloss, und Yvette betritt den Raum. Wie immer in den letzten Tagen versichert sie sich zunächst, dass Liz ruhig im Bett liegt. Dann stellt sie den Stuhl neben das Bett, platziert den Eimer darunter, unter dem ovalen Ausschnitt in der Sitzfläche, und verschlieÃt die Tür von innen.
Ihr nächster Blick gilt der leeren Breischale. Dann hilft sie Liz auf, wortlos wie immer, und wuchtet sie auf den Toilettenstuhl.
Liz fühlt sich bleischwer. Die Wirkung der Medikamente nimmt ihr einen GroÃteil der Körperspannung und verbirgt ihr allnächtliches Training. Seit inzwischen elf Nächten, immer dann, wenn die Wirkung der Infusion nachgelassen hat, kämpft Liz um jeden Schritt, indem sie barfuà durch die absolute Finsternis in ihrer Zelle tigert, immer von der einen zur anderen Wand. Am Anfang hat sie noch in Schritten gerechnet, danach in Wandlängen und in der vergangenen Nacht zum ersten Mal in Kilometern.
Yvette richtet sich stöhnend auf, als Liz endlich korrekt auf dem Stuhl sitzt. Die Schwester hat kräftige Arme, doch ihr Rücken bereitet ihr sichtlich Schmerzen, wenn sie Liz heben muss.
Die kühle Sitzfläche des Toilettenstuhls drückt sich an Lizâ nackte Haut. Nach wie vor trägt sie nicht mehr als das dünne, am Rücken offene Krankenhausleibchen. Ihre Oberschenkel ragen unter dem weiÃen Saum hervor wie Stelzen. Für einen kurzen Moment tritt sie aus sich heraus, sieht sich von oben, wie sie da hockt, nackt, über einem Eimer, ausgeliefert und entwürdigt. Sie schlieÃt die Augen, spürt die kühle Luft zwischen ihren Beinen und den Druck auf ihrer Blase. Unwillkürlich presst sie die Beine zusammen. Noch nicht jetzt.
Liz weiÃ, dass dieser Moment einer der wenigen ist, den sie steuern kann. Denn aus irgendeinem Grund wartet Yvette immer, bis Liz sich entleert hat, vielleicht um den Stuhl und den Eimer nicht unbeobachtet in der Zelle zu lassen, vielleicht auch um zu verhindern, dass Liz vom Stuhl fällt und sich dabei ernsthaft verletzt. Und sie weiÃ, dass sie mit Yvette reden muss. In der Nacht ist sie das Gespräch durchgegangen, so wie sie ihre Interviews vorher durchgeht. Jetzt ist sie dankbar dafür, denn das Medikament setzt nicht nur ihre motorischen Fähigkeiten herab.
»Yvette?«
Kopfschütteln.
»Yvette, kannst du mich ⦠Ich wäre gerne alleine.«
Kopfschütteln.
Gut. Liz muss sich Mühe geben, nicht zu lächeln. »Darfst du mich nicht alleine lassen?«
Nicken.
»Darf ich du sagen?«
Yvette nickt.
Sehr gut! Liz dreht sich ein wenig um, zu der dunklen Scheibe, hinter der sie die Kamera vermutet, dann dreht sie sich wieder zurück. »Sieht er uns zu?«
Yvette überlegt einen Moment, dann flüstert sie: »Ich glaub, nicht. Er mag es nicht, dabei zuzusehen, wenn â¦Â« Ihr Blick wandert zum Eimer unter Lizâ Stuhl.
»Dann sieht er auch nicht, wenn wir jetzt reden.«
Yvette nickt nicht, schüttelt aber auch nicht den Kopf. »Mach weiter«, sagt sie tonlos. »Ich muss fertig werden.«
»Ich kann so nicht.«
Schweigen.
»Warum machst du das, ich
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