Schnitzelfarce
Schrebergartenhauses, in dem Rick seit zwei Jahren den Sommer
verbrachte, hatte er nichts entdecken können, das ihn weitergebracht hätte.
Vor Müdigkeit war er irgendwann auf der alten,
durchgesessenen Couch im ›Wohnzimmer‹ des Häuschens eingeschlafen. Nach knapp
drei Stunden unruhigen Schlafes war er wieder wach geworden. Plötzlich war ihm
eingefallen, dass er sich gar nicht bei seinem Chef abgemeldet hatte. Der würde
aber hoffentlich Verständnis für diese Ausnahmesituation haben. Immerhin hatte
der Stadtrat den Buben gerne gehabt und sich gelegentlich sehr nett um ihn
gekümmert. Genau genommen war Ansbichler gar kein so übler Kerl, er hatte auch
seine guten Seiten. Allerdings, wie er mit Carola umgegangen war, war eine
riesige Sauerei gewesen.
Etwas viel Schlimmeres stand ihm noch bevor.
Er hatte es bisher nicht übers Herz gebracht, Ricks Mutter zu informieren. Das
würde er jetzt aber wirklich nicht mehr länger hinaus schieben können. Er saß
in dem kleinen Gasthaus am Rande der Schrebergartensiedlung und trank Kaffee.
Später würde er auch noch jene Personen anrufen, deren Namen und Telefonnummern
er in den Unterlagen seines Sohnes gefunden hatte. Wer weiß, vielleicht kam
dabei etwas heraus.
Eigenartigerweise fand Mraz in den beiden hier aufliegenden
Tageszeitungen keinen einzigen Hinweis auf das, was mit Rick geschehen war. Da
wurde über einen Trickdieb im Kaufhaus berichtet und vor einem Betrüger
gewarnt, der vorgab, für karitative Zwecke zu sammeln. Aber keine einzige Silbe
über einen Toten, der am Cobenzl gefunden worden war.
Na, vielleicht war es noch zu früh dafür,
obwohl er sich das nicht vorstellen konnte. Oder die Behörden hielten die
Meldung noch zurück. Warum aber sollten sie das tun?
Mraz schüttelte den Kopf. Nein, da musste noch etwas sein. Er
konnte einfach nicht glauben, dass sein Sohn, der schon als kleiner Bub alles
aufgeschrieben hatte, was ihn bewegt hatte, so überhaupt nichts zurückgelassen
haben sollte. Etwas, das es seinem Vater ermöglichen würde, den Sohn zumindest
nach seinem Tod noch etwas besser kennen zu lernen.
* * * * *
Im weiteren Verlauf des Verhöres hatte sich
Mansbart richtig erschüttert gezeigt, als er erfahren musste, dass Filzmayer
bei der brutalen Amputation seines Fingers noch am Leben war.
»Aber er war doch tot, er hat sicher nicht mehr geatmet«, hatte
der Mann gestammelt. Dann war er in Tränen ausgebrochen und Palinski hatte ihm
seine Bestürzung sogar abgenommen. So eigenartig das angesichts der Schwere der
Tat auch klingen mochte, Mansbart schien im Grunde genommen kein wirklich
schlechter Mensch zu sein. Eher jemand, der es zwar mit den Gesetzen nicht
immer ganz genau nahm, aber seinen Mitmenschen nicht wirklich Böses wollte.
Sondern aus Not oder auch Gier in diese Situation hineingeschlittert war.
»Wenn mich der Janos nicht um die zweite Hälfte der Gage
geschossen hätte, dann hätte ich den Herrn Kommerzialrat eh am Freitag
freigelassen«, beteuerte der Entführer jetzt. »Aber nicht nur, dass ich ums
Geld geprellt worden bin. Dann kommt auch noch das Kündigungsschreiben von der
Firma. Vom Alten unterschrieben.«
»Ist Ihnen gar nicht aufgefallen, dass der Brief laut Datum zu
einem Zeitpunkt geschrieben worden ist, an dem sich Herr Filzmayer bereits in
Ihrer Gewalt befunden hat ?« , warf Franca ein.
»Das ist mir nicht aufgefallen«, Mansbart runzelte die Stirne.
»Ist das wirklich so ?« Wallner nickte und verwirrte
den Entführer damit komplett. »Aber wie hat er denn dann die Briefe
unterschreiben können ?«
»Die Antwort ist einfach, Herr Mansbart«, Franca schüttelte
leicht den Kopf. »Er hat den Brief überhaupt nicht unterschrieben. Was Sie für
seine Unterschrift gehalten haben, ist ein sehr gut gemachter Faksimilestempel.
Den hat die Sekretärin aufgedrückt .«
»Aber dann kann der Herr Kommerzialrat ja gar nix dafür für
meine Kündigung .« Offensichtlich traf ihn diese
Erkenntnis hart. »Dann habe ich ihm ja völlig grundlos den Finger abgehackt .«
Palinski hatte Probleme, auf den unfreiwillig rabenschwarzen
Humor nicht mit einem in dieser Situation absolut unpassenden Gelächter zu
reagieren.
Dass er statt der nachgeforderten 87 000 Euro lediglich einen
Packen alter Zeitungen erhalten hatte, hatte Mansbart nicht mehr sonderlich
verwundert.
»Ich habe mich aber sehr aufgeregt darüber, weil ich gedacht
habe, die wollen mich verarschen.
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