Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Schimpfworte wie „geiles Luder“, „dreckige Zigeunerin“ und ähnliche Liebenswürdigkeiten von sich.
Orlando war aufgewacht. Er sprang sofort auf, lief in die Küche und machte mir einen nervenberuhigenden Tee. Als wir dann nebeneinander auf dem neuen Schlafsofa saßen, fragte ich ihn: „Weißt du, was das für ein Gefühl ist, mitten in der Nacht angerufen und aufs Ordinärste beschimpft zu werden?“
„Weiß ich. Passiert mir leider öfter“, sagte er.
„Ja, aber dich bedroht keiner.“
„Hast du eine Ahnung!“
Wir leerten ein Stamperl kubanischen Rum in unseren Gute-Nacht-Tee und prosteten uns zu. Das Telefon ließen wir einfach läuten.
5. Akt
21
Am späten Vormittag rief Tony Meyers an. Trotz Orlandos Gerede willigte ich ein, ihn abends auf das Frühlingsfest im Schlossquadrat zu begleiten. Allerdings war ich misstrauisch. Kommerzialrat Schramm und Orlando hatten sich die Geschichten über Tonys Affären mit Vera, Ilona und Anja sicher nicht aus den Fingern gesogen. Ich bat Orlando, mitzukommen und Tony im Auge zu behalten. Sollte er Recht haben mit seinem Verdacht, dann würden wir Tony Meyers heute Nacht der Morde überführen.
„Du willst den Lockvogel spielen, Katharina? Das erlaube ich nicht“, entrüstete sich mein kleiner Freund. Manchmal fand ich ihn richtig bezaubernd.
„Geh, hör auf, was soll mir denn schon mitten unter all den vielen Menschen passieren? Außerdem wirst du ja auf mich aufpassen“, sagte ich.
Dann rief ich Bezirksvorsteher Wimmer an und bedankte mich für sein Engagement.
Er beteuerte, mit Orlandos Freilassung nichts zu tun gehabt zu haben. Bevor er auflegte, fragte er mich: „Sehen wir uns heute Abend beim Frühlingsfest im Schlossquadrat?“
„Siehst du, der Bezirksvorsteher wird auch zum Fest kommen. Also mach dir keine Sorgen um mich“, sagte ich zu Orlando, der bei offener Badezimmertür gurgelte.
Mittags gingen Orlando und ich gemeinsam zum Friseur Werner Pranz in der Rechten Wienzeile. Orlando wollte seine Sisi-Perücke aufmotzen lassen. Ich wollte mir nur die Haare schneiden lassen.
Mirjam, die Leiterin des Damensalons, riet mir zu ein paar Strähnchen. Ich sah sie skeptisch an. Orlando hatte mir erzählt, dass die Mitarbeiter im Salon Pranz fachlich bestens geschult waren. Selbst Mirjam, eine sehr erfahrene Friseurin, nahm nach wie vor an Fortbildungskursen teil.
„Okay. Ich vertraue Ihnen. Machen Sie mit meinen Haaren, was Sie wollen“, sagte ich schließlich.
Ich ging höchst selten zum Friseur. Keiner hatte es bisher geschafft, meine rote Lockenpracht zu zähmen.
„Als Kind hab ich Zöpfe gehabt. Meine Freundinnen haben mich Pippi Langstrumpf genannt“, sagte ich zu Mirjam.
„Du warst sicher unheimlich süß“, zwitscherte Orlando. Er stand neben mir und beobachtete fasziniert jeden Handgriff.
„Süß ist wohl nicht das richtige Wort. Ich war ein sportliches und angeblich sehr mutiges kleines Mädchen. Später hoch aufgeschossen und voller Hemmungen.“
Werner Pranz hatte jede Menge berühmte Stammkunden. Schauspieler, Musical-Stars und bekannte Fußballspieler gingen bei ihm ein und aus. Inzwischen beschäftige er zwölf Angestellte, hatte Orlando stolz erwähnt.
Als sich Herr Pranz kurz zu uns gesellte, erinnerte ich ihn daran, dass ich als Kind öfter mit meinem Großvater hier gewesen war. Damals hatte das Geschäft seiner Mutter gehört und ganz anders ausgesehen.
In den letzten Jahren hatte ich mir meine Haare selber geschnitten. Danach sahen sie auch aus. Missmutig betrachtete ich mich in dem großen Spiegel vor mir.
„Kann man diese blöden Locken irgendwie glatt kriegen?“, fragte ich.
Mirjam und Werner Pranz lächelten sich an.
Orlando wurde, trotz seines Protestes, in die Herrenabteilung verwiesen. Kurz danach kehrte er zurück und setzte sich neben mich.
„Weißt du, wer dort drüben sitzt?“, fragte er mich und funkelte mich begeistert an. „Der berühmteste Glatzkopf von Wien! Der Göbel ist echt geil.“
„Ja, ja, ich weiß, du bist prominentengeil“, sagte ich und informierte mich in einem Klatschmagazin weiter über die Eheprobleme von Angelina Jolie und Brad Pitt.
Mirjam schlug vor, meine Naturlocken mit einem Glätteisen zu bändigen. „Das Glättungsprodukt hält leider nur bis zur nächsten Haarwäsche“, sagte sie.
Plötzlich entdeckte ich ein bekanntes Gesicht im Spiegel. Angela Bischof stand hinter mir und debattierte aufgeregt mit Werner Pranz. Ich bekam mit, dass sie einen
Weitere Kostenlose Bücher