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Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)

Titel: Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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mein Gott, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Sie können es ja nicht wissen. Es gab sehr wohl einen Hinweis auf sexuelle Gewalt. Aber das hat die Polizei der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben. In Ilonas Vagina steckte ein abgebrochener Flaschenhals.“
    Selbst Dr. Mader schaffte es jetzt nicht mehr, seinen freundlichen Gesichtsausdruck beizubehalten. Angeekelt sah er mich an.
    „Sie glauben, ich erfinde das?“, fragte ich ihn empört.
    „Nein, natürlich nicht.“
    Wir schwiegen beide eine Weile.
    „Diese Brutalität verrät uns viel über die unheimliche Wut, den immensen Hass, den der Täter auf diese Frau gehabt haben muss“, sagte er schließlich.
    „Aber warum hat er Orlando zu ermorden versucht?“
    „Ihr Freund arbeitet als Barkeeper im Motto und wurde mit einem Ice Pick attackiert, oder? Die Stiche und der Überraschungsangriff von hinten sagen mir zum Beispiel, dass wir es mit einem ungeselligen, wenn auch nicht unbedingt asozialen Typen zu tun haben, der eher zurückgezogen lebt und unsicher ist. Meiner Erfahrung nach nutzen schwache Menschen oft die Möglichkeit, ihre Schwäche zu kompensieren, etwa indem sie jagen oder mit Waffen und Messern herumspielen. Diesen Überraschungsangriff haben alle Fälle gemeinsam. Und das ist wiederum ein deutlicher Hinweis, dass der Täter seine Opfer nur kontrollieren konnte, wenn er sie überwältigt hatte, bevor sie reagieren konnten. Das erste Opfer wurde von hinten erschlagen. Ebenfalls ein total unerwarteter Angriff. Die Adrenalinspritze, mit der er die Anwältin tötete, wirkte sehr schnell. Und im dritten, für ihn vielleicht schwierigsten Fall machte er die Frau vorher wehrlos. Eine Strangulation während einer Kinovorstellung wäre sonst sicher nicht ohne massive und lautstarke Gegenwehr des Opfers durchzuführen gewesen. Wahrscheinlich sollten wir den Tatwaffen mehr Augenmerk schenken. Es handelt sich um relativ ungewöhnliche Mordwaffen. Vielleicht sollten wir uns auch eingehender mit dieser Gasexplosion beschäftigen, bei der ja ebenfalls eine junge Frau ums Leben gekommen ist. Erinnern Sie sich, was ich bei unserem letzten Gespräch über die Mordtriade gesagt habe? Brandstiftung gehört ebenso dazu wie Bettnässen und …“
    Aggressives Läuten unterbrach seine letzten Worte. Ich hatte die Sitzung bei ihm wieder überzogen. Rasch verabschiedete ich mich und ging hinunter zum Silberwirt.
20
    Der Gastgarten war nach dem heftigen Regenschauer menschenleer. Ich ging an die Theke. Ließ mir von Markus ein Margaretnerbier geben und setzte mich hinaus an einen der Tische unterm Dach, genau unter das Bild mit den vielen süßen Engerln von Raja Schwahn-Reichmann. Die Luft war herrlich kühl, reingewaschen durch den Regen.
    Plötzlich vernahm ich Musik. Ein Fenster in Gergelys Wohnung stand offen. Er spielte auf seinem Klavier. Und er spielte Musik, die mir vertraut war. Ich hatte keine vergleichbare Melodie im Ohr, hatte nur das Gefühl, ich hätte diese Töne schon mal gehört. Zigeunerweisen? Ich wusste, dass auch er ungarische Vorfahren hatte. Allerdings befand sich bestimmt kein Rom darunter.
    Ich lehnte mich zurück, legte meine Beine auf den Sessel neben mir, zündete mir eine an und schloss die Augen. Längst vergessen geglaubte Bilder tauchten auf. Auch ich hatte einmal geliebt. Aber dass es Liebe war, hatte ich erst viel später, als es längst vorbei war, begriffen.
    Ein lauschiger Abend im Frühsommer. Ich hatte gerade die Matura bestanden und war zu meinen Verwandten gefahren, die in einem Dorf außerhalb von Budapest lebten. Sie feierten ein Fest am Donauufer. Sie feierten nicht wegen mir, sondern den Beginn des Sommers.
    Der Himmel war bedeckt. Die Schwüle unerträglich. Heerscharen von Gelsen machten sich über uns her. Das Gulasch garte in dem großen schwarzen Kessel vor sich hin. Ich hielt mich von der offenen Feuerstelle fern. Mir war ohnehin schon heiß genug.
    Ich hatte das Gefühl, mir die Zunge zu verbrennen, als ich es dann kostete. Die Frauen hatten extrascharfe Paprikawurst, Chili, Piment und zuletzt Muskat hinzugegeben. Nach ein paar Bissen gewöhnte ich mich an die Schärfe. Trank einfach mehr Bier als sonst. Alle tranken zu viel, aßen zu viel und rauchten zu viel. Zur Feier des Tages rauchten wir alle Zigarren.
    Nach dem Essen begann ein alter Mann aus dem Stegreif zu singen. Seine Stimme war kehlig und spröde. Mich faszinierte die Verzweiflung, die aus seinem Vortrag sprach. Ein paar jüngere Männer

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