Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
hat Ihnen denn diesen Quatsch erzählt? Ihre verrückte Zigeuneroma?“ Bevor ich sie scharf zurechtweisen konnte, fuhr sie belehrend fort: „Die Anbetungsschwestern dürfen nicht reden. Was eigentlich gar keine so schlechte Idee ist. Es wird ohnehin viel zu viel Blödsinn gequatscht. Wahrscheinlich dürfen diese frommen Frauen nicht einmal ein paar Mäuse oder Ratten umbringen, denn auch sie sind Geschöpfe Gottes. Außerdem haben die Klarissinnen viele Klöster in Indien, und dort gelten die Ratten ja als heilige Tiere.“
„Mir ekelt schrecklich vor Ratten“, sagte ich.
Frau Bischof musterte mich von oben bis unten. „Für ein Zigeunerkind sind Sie ziemlich zimperlich“, sagte sie hochnäsig.
Ich bemerkte, wie meine Wangen heiß wurden. Wenn sie noch einmal dieses Wort so abfällig in den Mund nahm, würde ich ihr mein Klatschmagazin um die Ohren hauen.
Völlig unbeirrt fuhr sie fort: „Ich bin auf einem Bauernhof in Niederösterreich aufgewachsen. Als Kinder haben wir diese Viecher immer gejagt, und wenn wir eine Ratte erwischten, haben wir sie angezündet und bei lebendigem Leib verbrannt.“
Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Zum Glück kam Werner Pranz nun zu mir und fragte mich über den Mann aus, der mich auf der Toilette des Haasbeisl belästigt hatte. Als ich auf die auffälligen Schuhe dieses sonderbaren Menschen zu sprechen kam, mischte sich Angela Bischof wieder ein: „Inzwischen tragen viele Leute vernünftiges Schuhwerk von Vega Nova. Sogar ich zieh manchmal diese bequemen, aber nicht gerade eleganten Schuhe von ‚Think‘ an!“
Mit einem koketten Augenaufschlag zeigte sie Herrn Pranz ihre Füße, die in etwas altmodisch anmutenden Schnürschuhen steckten.
Werner Pranz schien ihr zu gefallen. Sie ließ ihn nicht mehr weg, überschüttete ihn nun mit Fragen zu den furchtbaren Morden. Meistens gab sie sich die Antworten gleich selbst.
„Hat denn bisher keiner daran gedacht, dass vielleicht die Hell’s Angels aus der Gartengasse dahinterstecken könnten?“
„Sie meinen die Motorradfahrer, die in dem hübschen Biedermeierhäuschen in der Siebenbrunnengasse, Ecke Gartengasse wohnen?“, fragte ich.
„Ja genau. Die erfreuen sich doch eines gewissen Rufes, was Morden und Vergewaltigen betrifft“, sagte sie zynisch.
„Das sind nichts als Vorurteile“, sagte ich verärgert. Auf generelle Verurteilungen reagierte ich immer empfindlich. Ich hatte diese auf Grund meiner Herkunft oft genug selbst erlebt.
Meine Haare waren inzwischen perfekt gestylt. Ich nahm im Vorraum Platz. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel. Mein Haar war einige Zentimeter kürzer, hatte frische rote Schattierungen und war vor allem wunderbar glatt.
Orlando hatte mich gebeten, auf ihn zu warten. Es hatte ein kleines Problem mit den falschen Diamanten für seine Perücke gegeben. Der Lehrling hatte sie erst von einem Geschäft in der Hamburger Straße holen müssen.
Ich saß genau unter dem Lautsprecher. Plötzlich wurde die Musik auf Radio Wien wegen Sondernachrichten unterbrochen.
„Ein entlassener Häftling aus der Sonderstrafanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher am Mittersteig, der fünfzehn Jahre wegen der grausamen Ermordung seiner Frau abgesessen hat, gestand heute Mittag der Wiener Kriminalpolizei, während einer seiner Freigänge die Besitzerin des Würstelstands am Margaretengürtel umgebracht zu haben. Die junge Ungarin hätte ihn an seine treulose Frau erinnert. Der angebliche Täter sprach ziemlich wirr. Allerdings gestand er, der jungen Frau den abgebrochenen Hals der Rumflasche, mit der er sie erschlagen hatte, in die Vagina gesteckt zu haben. Dieses schreckliche Detail hatte die Kriminalpolizei bisher nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben. Allerdings bestritt der Mann vehement, die bekannte Wiener Rechtsanwältin Vera Navratil ermordet zu haben. Inzwischen wurde Radio Wien darüber informiert, dass der vermeintliche Täter vor etwa einem Jahr Vera Navratil als Anwältin engagiert hatte, um seine baldige Haftentlassung durchzusetzen. Als sie ermordet wurde, war er zwar bereits in Freiheit, er konnte aber für die Tatzeit ein Alibi vorweisen.“ Der Bericht endete mit der Bemerkung: „Die Polizei überprüft nun fieberhaft seine Freigänge und sein Alibi für den Mord an der Margaretner Anwältin.“
Ich bat Herrn Pranz, der die letzten Worte des Nachrichtensprechers gehört hatte, rasch auf Ö1, das erste Programm des Österreichischen Rundfunks, umzuschalten. Dort kamen nun
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