Schön und ungezähmt
erleuchtet, und die lange Reihe der Kutschen, die in der kreisförmigen Auffahrt warteten, zeigte, wie beliebt dieses gesellschaftliche Ereignis war. Sie stiegen aus und wurden inmitten der anderen eintreffenden Gäste nach innen geleitet. Rebecca suchte die Menschenmenge im hell erleuchteten Ballsaal ab. Sie konnte nicht anders. Würde er heute Abend erscheinen? Er nahm an den meisten repräsentativen Ereignissen teil, weil sein Bruder ein Duke war, und …
Da war er.
So groß, so männlich. Er hatte fein gemeißelte Gesichtszüge, und sein hellbraunes Haar sah wie durch ein Wunder immer gut gekämmt und zugleich reizend zerzaust aus. Sein Gesicht wurde von einem lebhaften Lächeln erhellt, als er einen Freund begrüßte. Lord Robert Northfield war ein bezaubernder Filou, höflich, weltgewandt und so wenig an ihr interessiert, wie ein Mann es bei einer Frau im heiratsfähigen Alter nur sein konnte. Womit er sie im Regen stehen ließ, dachte Rebecca seufzend. Ein gewisser Teil von ihr wünschte, sie wäre nicht mit Brianna befreundet, denn dann hätte sie nie die Gelegenheit gehabt, den
jüngsten Bruder des Duke of Rolthven kennenzulernen. Aber ein anderer, verräterischer Teil war froh, ihm begegnet zu sein.
Damals hatte Rebecca entdeckt, dass man sich innerhalb eines Augenblicks verlieben konnte. Ein Blick, ein faszinierender Moment, in dem er sich über ihre Hand beugte und seine Augen sie glühend ansahen … und sie war verloren.
Ihr Vater, der in jenem Augenblick an ihrer Seite stand, wäre entsetzt gewesen, wenn er ihre Gedanken hätte lesen können. Robert hatte, und dieser Tatsache musste sie sich stellen, einen schlechten Ruf. Sogar einen sehr schlechten; er genoss das Kartenspiel und die Gesellschaft von Frauen, und nicht unbedingt in der Reihenfolge. So geachtet Colton mit seinem politischen Einfluss und seinem riesigen Vermögen auch sein mochte, sein jüngster Bruder schien das genaue Gegenteil zu sein.
Ihr Vater hegte eine große Abneigung gegen ihn – er hatte mehr als einmal den Namen des jüngeren Bruders des Duke of Rolthven voll bitteren Hohns erwähnt -, und sie hatte nie gewagt, ihn zu fragen, woher diese Abneigung rührte. Vielleicht nur wegen seines schlechten Rufs, aber sie vermutete, es gab noch andere Gründe.
Als sie ihn jetzt durch den überfüllten Raum hindurch betrachtete, hoffte sie, niemand würde bemerken, auf wen ihre Blicke gerichtet waren. Rebecca beobachtete, wie die Gastgeberin sich zu ihm durchschlängelte und Roberts Ärmel auf eine Art berührte, die gleichermaßen spielerisch und vertraut war. Es ging das Gerücht, Lady Hampton habe eine ausgeprägte Vorliebe für wilde, gut aussehende junge Männer, und der Bruder des Duke of Rolthven schien durchaus ein geeigneter Kandidat für sie zu sein. Die beiden Duelle, die er bereits ausgetragen hatte, trugen nichts zu seiner Ehrbarkeit bei.
An Lord Robert waren wohl nur der Name seiner Familie und die prominente Stellung, die sein Bruder in der höheren Gesellschaft einnahm, ehrbar.
Und doch war sie hoffnungslos von ihm bezaubert. Es war wirklich hoffnungslos, denn selbst wenn er sie durch irgendein Wunder bemerkte und seine Abneigung gegen Eheschließungen überwinden und um Rebecca werben sollte, wusste sie, dass ihr Vater diese Verbindung niemals billigen würde.
Zu schade, dass sie keine Liebesromane schrieb, statt Musik zu komponieren. Dann könnte sie jetzt ein trauriges Märchen über eine sprachlose, junge Heldin verfassen, die sich nach einem schönen, sündhaften Liebhaber verzehrte.
»Miss Marston. Welche Freude, Sie zu sehen. Ich habe gehofft, Sie würden heute hier sein.«
Die Worte unterbrachen ihre Gedanken und lenkten ihren Blick von Robert Northfield fort, der soeben Lady Hampton für den nächsten Walzer auf die Tanzfläche führte und seinen Kopf zu ihr hinabsenkte, um zu hören, was auch immer diese unverschämte Frau ihm zu sagen hatte. Mit einem leisen Lächeln lauschte er ihren Worten, die zweifellos ein kluges, kokettes Geplänkel einleiteten.
Waren sie Liebhaber? Rebecca wünschte, es würde ihr nichts ausmachen, sie wünschte, sie würde nicht über etwas spekulieren, das sie überhaupt nichts anging. Denn Robert wusste nicht einmal, dass sie lebte und atmete, und wenn Lady Hampton mit dieser ganz bestimmten, besitzergreifenden Sehnsucht zu ihm aufblicken wollte, gab es nichts, was Rebecca dagegen unternehmen konnte …
»Miss Marston?«
Rebecca riss sich gewaltsam vom Anblick des
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