Schön und ungezähmt
eindrucksvollen
Paars auf der Tanzfläche los. Ihr wurde schrecklich bang ums Herz. Ein strahlender Lord Watts stand vor ihr, mit seinem mickrigen Schnauzbart und dem gekünstelten Lächeln. »Oh, guten Abend«, murmelte sie ohne große Begeisterung, was ihr einen finsteren Blick von ihrem Vater eintrug.
»Darf ich davon ausgehen, dass Sie einwilligen, mit mir zu tanzen?« Der junge Mann wirkte nervtötend eifrig, und in seinen blassblauen Augen lag ein flehendes Glitzern.
Wenn doch seine Augen von einem tiefen Azurblau und von langen Wimpern umrahmt wären und sein Haar nicht die Farbe von blassem Stroh, sondern stattdessen ein lebhaftes Goldbraun hätte; wenn er doch männlicher wirkte und einen verführerischen Mund hätte, der sich zu einem hypnotisierenden Lächeln verzog.
Selbst dann, wenn er all diese Attribute aufwies, wäre er nicht Robert Northfield.
»Natürlich willigt sie ein«, sagte ihr Vater gewandt. »Rebecca hat vorhin erwähnt, sie würde sich vor allem darauf freuen. Nicht wahr, meine Liebe?«
Da sie noch nie eine Frau gewesen war, die dazu neigte, Unwahrheiten zu verbreiten, lächelte sie einfach. Oder sie versuchte es. Es wirkte auf sie mehr wie eine Grimasse. Das würde ein langer, trostloser Abend werden.
»Du machst auf mich einen abwesenden Eindruck.«
Die angedeutete Vertrautheit in Maria Hamptons Worten irritierte ihn ein wenig, und Robert richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Frau in seinen Armen, mit der er im Takt der neuesten Melodie über die Tanzfläche schwebte. »Ich bin tatsächlich nur müde.«
»Ah, ich verstehe.« Maria lächelte. In ihren grünen Augen blitzte ein anzügliches Interesse auf. »Kenne ich sie?«
»Es gibt keine ›Sie‹«, erwiderte Robert irritiert. »Oder ja, ich vermute, es hängt mit einer Frau zusammen – aber nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst.« Er wirbelte sie herum und verzog spöttisch den Mund. »Heute war der Geburtstag meiner Großmutter.«
Maria, so sinnlich mit ihrem lebhaft roten Haar und den üppigen Kurven, blickte ihn ratlos an. »Und?«
»Und«, erklärte er ihr gutmütig, »ich bin heute in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und den ganzen weiten Weg nach Rolthven geritten, damit ich bei dem Mittagessen zugegen sein konnte, das ihr zu Ehren auf dem Familienanwesen ausgerichtet wurde.«
»Du?«
»Ist es für dich so eine Überraschung, wenn ich diesen Aufwand betreibe?«
Zumindest gab sie sich keine Mühe, ihr Erstaunen abzustreiten. Sie sagte nur: »Ja, mein Lieber, ist es.«
Für diese Ansicht konnte er ihr wohl kaum die Schuld geben. In Anbetracht von Roberts Reputation wären alle Klatschweiber Londons überrascht, wenn sie erfuhren, dass er seine Großmutter verehrte. Trotz der Nachwirkungen etwas zu übermäßigen Weingenusses am Vorabend hatte er frohen Herzens die Reise auf sich genommen. Colton war natürlich bereits mit seiner bezaubernden Frau in Rolthven eingetroffen, und Brianna hatte in ihrem Tageskleid aus gekräuseltem Musselin, das mit winzigen, rosafarbenen Stoffröschen besetzt war, bezaubernd ausgesehen. Ihr flachsfarbenes Haar trug sie hochgesteckt und hatte es einfach mit einem schmalen Band im selben Farbton umwunden.
Sie trat – anders als es in der Zeitung angedeutet und gerüchteweise bestätigt worden war – nicht skandalös auf wie an jenem Abend, sondern war gekleidet wie ein junges, unschuldiges Schulmädchen. Aber Robert hatte zwei interessante Dinge bemerkt.
Zum Ersten schien Colton sie ein wenig anders zu behandeln. Robert würde nicht so weit gehen zu behaupten, er sei aufmerksam, aber sein Bruder schien sich mehr der Gegenwart seiner Frau bewusst zu sein. Zweitens war sie nicht mehr so schüchtern, als hätte sie eine Ahnung davon bekommen, welche Macht sie nicht nur mit ihrer Schönheit, sondern auch mit ihrer Intelligenz ausüben konnte. Wie Colton bereits betont hatte, hatte er nicht bloß irgendein langweiliges Püppchen ausgesucht, um einen Erben zu bekommen.
Es war schwierig, den Finger genau auf den Punkt zu legen, wie sich diese Aura aus Selbstbewusstsein und Haltung verändert hatte, aber nichtsdestotrotz auch sehr interessant.
Robert wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sie von einem tanzenden Paar gestreift wurden, das bereits mehr als genug Wein zu sich genommen hatte. Im Moment war die Ehe seines Bruders nicht Roberts größte Sorge, sondern die gefährlichen Klauen von Maria Hampton, aus denen er dringend entkommen wollte. Da Höflichkeit ihn nicht an
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