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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Konzepte sind, wie soll da dann Popotätscheln eine sexuelle Belästigung sein? Quasi homophile Pastoren-Logik oder das Zölibat musste eben auch irgendwie kompensiert werden.
    »Durch dia Rippen schwitza könnets dia au net«, sagte Ploteks Vater immer und lachte.
    »Selbscht mit Gottes Hilfe net!«, fügte Ploteks Mutter hinzu und lachte auch.
    Mit oder ohne Gottes Hilfe ließ Pfarrer Thanwälder dann für ein bisschen Streicheln schon mal einen Einser, im Religionsunterricht springen – den einzigen Einser, den Plotek im Zeugnis hatte. Für den gab es dann zu Hause fünfzig Pfennig. Für den Fünfer in Mathematik eine Tracht Prügel mit Ledergürtel auf nacktem Arsch.
    »Herr Plotek, wann sind wir da?« Wieder die Hasenscharte.
    Plotek merkte, wie ihm die Übelkeit langsam die Speiseröhre hochkletterte. Ob es jetzt tatsächlich nur Pfarrer Thanwälder war oder doch auch ein bisschen der ruckelnde Bus und das Gegen-die-Fahrtrichtung-gucken, keine Ahnung. Gründe gab es genügend für körperliche Gebrechen. Zu viele Gründe für zu viele Gebrechen – bei Plotek. Jetzt Übelkeit. Während die Hasenscharte von Sitzbeschwerden sprach und von einer nicht lange zurückliegenden Hüftoperation, von Titanknochen, Narkose und Wasser in den Beinen, guckte Plotek dann nicht mehr in sein Gesicht und auf die Hasenscharte, sondern nach vorne zur Windschutzscheibe hinaus. Man hätte jetzt gut und gerne den Eindruck gewinnen können, Plotek interessierte sich überhaupt nicht für seine Gesprächspartner. Obwohl das genau genommen gar kein Gespräch war, eher Monolog. Herrn Wilhelm schien es egal zu sein. Der Frau, zwei Reihen vor ihm, nicht. Die drehte sich jetzt zu Plotek um und fragte, warum denn die beiden Toiletten nicht in Betrieb wären. Das fragte sich Plotek natürlich auch. Und wusste auch keine Antwort darauf. Sagte er eben nichts und zuckte nur mit den Schultern. Die Frau war zufrieden. Sie hatte eine akkurat gelegte Dauerwelle mit einem blasslila Schimmer, hieß Frau Klinkermann und hielt eine große Handtasche auf den Knien, mit der sie hin und wieder tuschelte. Plotek traute seinen Ohren nicht.
    »Ist ja gut. Ja, ja, ganz lieb. Ja, ja, ja. Ich hab dir ja gesagt, es dauert nicht lange. Ja, ja, du bist ein ganz ein Süßer. Ja, ja, mein Bester. Mein Allerbester.«
    Entweder war das Getuschel auf den maroden Geisteszustand der Alten zurückzuführen oder ihr fortgeschrittenes Alter spielte Frau Klinkermann einen üblen Streich. Soll heißen, die Handtasche war in ihren Augen gar keine Handtasche, sondern vielleicht der verstorbene Ehemann. Der überfahrene Kurzhaardackel. Oder Hansi, der entflogene Wellensittich. Jetzt muss man wissen, dass es viele Menschen gibt, die nicht nur mit sich selber reden, sondern auch mit ihrem Hund, der Katze, dem Kanarienvogel. Für Frau Wammerling zum Beispiel, die mittlerweile verstorbene Nachbarin Ploteks, war die Katze Fritz jahrelang der einzige Gesprächspartner. Wenn man mit Tieren reden kann, warum dann nicht auch mit einer Handtasche, dachte Plotek und dann an seinen Flanellschlafanzug, mit dem er auch schon das ein oder andere Streitgespräch geführt hatte. Apropos Streitgespräch: Sofort fiel Plotek wieder Agnes ein, melodisch umrahmt von einem Handygeklingel. Bloß gut, dass Plotek keines hatte, konnte es also auch nicht seines sein. ›Auf in den Kampf‹, pfiff es von der letzten Busreihe nach vorne, dass sich alle Reisenden sofort umdrehten. Auch Plotek. Die vielen Blicke schienen das Handy und den Kopf, an den es jetzt gedrückt wurde, nicht sonderlich zu irritieren. Eher Gegenteil. Als ob der Handybesitzer nicht etwa mit einem unsichtbaren Gesprächspartner außerhalb des Busses kommunizieren wollte, sondern direkt mit allen im Bus Sitzenden gleichzeitig. Er redete so laut, dass jeder ihn verstehen konnte, ob er wollte oder nicht. Plotek wollte nicht – aber vergiss es.
    »Ja, ich bin jetzt auf dem Weg nach Karlsbad!«
    »Jaaa – nein, macht nichts!«
    »Ja, ha ha ha, ja, ja – nein!«
    »Verkaufen! Sofort. Ja, alle Papiere und dann investieren wir 500000 in . . . ja! Genau. Das gibt dann einen kurzfristigen Gewinn von mindestens 50000.«
    »Ja, ja. Ha ha ha.«
    »Ach, Herr, was ich noch . . . Haben Sie heute die Pferde auf die Koppel gebracht – ach so, nicht zu kalt, gut.«
    »Danke, ja, werde ich haben, ja – bis später, ja!«
    Und dann ein bisschen leiser, als ob alle den Eindruck bekommen sollten, dass Nachfolgendes nicht für jedermanns Ohren bestimmt

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