Schoene Bescherung
in einen Farbtopf gefallen wäre. Das Gegenteil von der Blinden – schminktechnisch jetzt. Oder kunsthistorisch: Die Blinde war perfekter Naturalismus, Kubella missglücktes Action Painting.
So wie Frau Klinkermann mit ihrer Handtasche redete und der Gebräunte mit seinem Handy, sprach auch Kita Kubella, allerdings mit sich selbst. Meistens über sich selbst.
Frau Klinkermann lachte darüber verächtlich, schüttelte den Kopf und zeigte deutlich, was sie von der alten Kubella hielt. Je länger die Fahrt dauerte, umso weniger hielt sich Frau Klinkermann mit Kommentaren zurück.
»Gaga!«, flüsterte sie. Oder: »Plemplem!« Dabei wischte sie mit gespreizten Fingern vor ihrem Gesicht hin und her.
Herr Stremmel zuckte mit den Schultern, Frau Weller nickte. Nur Herwig E. Skolny schaute böse und fauchte Frau Klinkermann schließlich an: »Jetzt lassen Sie doch die Frau mal in Ruhe!«
Na ja, Frau – da war sich Plotek nicht ganz so sicher. Trotz der dicken Schminkschicht auf der alten, faltigen Haut der Kubella schimmerten vereinzelte Bartstoppeln durch. Als Kita Kubella dann schließlich nicht nur sich selbst etwas zu erzählen hatte, sondern auch die Mitreisenden miteinbezog, kam nur ziemlich wirres Zeug heraus. Was Frau Klinkermann in ihrer Einschätzung bestätigte. »Die hat doch einen Sprung in der Schüssel«, flüsterte sie laut genug, dass es jeder hören konnte, der es hören wollte.
Frau Weller nickte wieder heftig. Herr Stremmel schaute peinlich berührt zur Seite. Herr Wilhelm sah kurz von seinem Kreuzworträtsel auf, lächelte und tauchte wieder in den Kästchen unter. Na ja, in Anbetracht von Frau Klinkermanns eigenen Kommunikationsgepflogenheiten war ihre Einschätzung bezüglich Frau Kubellas doch sehr gewagt, dachte Plotek und konnte Herwig E. Skolny gut verstehen, als er sich an Frau Klinkermann wandte und sagte: »Wer da einen Sprung hat, ist noch die Frage.«
Frau Klinkermann wischte wieder mit den Fingern vor ihrem Gesicht. Diesmal war aber nicht Kita Kubella gemeint, sondern Herrn Skolny. Frau Weller lachte so laut, dass ihre dürre Mutter erschrak und fragte, ob sie schon in Marienbad wären.
»Karlsbad, Mami. Wir fahren nicht nach Marienbad, wir fahren nach Karlsbad.«
Mami guckte, als ob ihr der Unterschied nicht ganz klar wäre, und weinte dann still vor sich hin.
»Nicht weinen, Mami, wir sind ja gleich da.«
»In Marienbad?«
»Ja, ja, natürlich, in Marienbad«, sagte die dicke Weller und verdrehte die Augen.
Frau Klinkermann wischte noch immer vor ihrem Gesicht herum und tuschelte dann wieder mit ihrer Handtasche. Kita Kubella zwinkerte Herrn Skolny zu und streckte Frau Weller heimlich die Zunge heraus. Plotek schmunzelte, bis Herr Wilhelm, der Mann mit der Hasenscharte, wieder von seinem Kreuzworträtsel aufblickte und fragte: »Afrikanisches Tier mit zehn Buchstaben, der erste ein R, der letzte ein S?«
Keine Ahnung, dachte Plotek.
»R-r-r-rh-i-i-i-n-n-n-no-no-no-z-z-z-e-r-r-r-r-o-o-o-s-s-s-s«, schlug Korbinian Stremmel vor.
»Hä?« Herr Wilhelm guckte, als ob er nichts verstanden hätte. Die anderen schauten genauso. Nur Plotek wusste, was Korbinian Stremmel meinte.
»Rhinozeros«, sagte er.
»Passt«, bestätigte Herr Wilhelm und strahlte, dass die Hasenscharte spannte.
»Apropos, kennen Sie den?«, fragte er dann. »Neulich, auf einer kleinen Party. ›Mein Sohn‹, sagt der Vater stolz in der lustigen Runde, ›mein Sohn kann für seine fünfzehn Monate schon super sprechen. Andreas, sag mal Rhinozeros!‹ Das Baby robbt an den Tisch, hangelt sich hoch, schaut in die Runde und fragt: ›Zu wem?‹«
Frau Klinkermann lachte, Frau Weller lachte und der Gebräunte lachte auch. Skolny nicht. Plotek auch nicht. Herr Stremmel schaute wieder betreten.
Plotek setzte sich neben den Busfahrer auf den Sitz, der für die Reisebegleitung vorgesehen war. Kaum saß er, hörte er schon wieder seinen Namen im Rücken, drehte sich um und sah den Gebräunten durch die Busreihen schlendern.
»Um die Zeit bis zur Raststätte angenehm zu überbrücken«, sagte er und hielt in der Hand eine Konfektschachtel mit teuren, köstlich aussehenden Pralinen. »Greifen Sie nur zu!«
Schnabel lachte wieder im Rückspiegel.
Der Gebräunte ging von Sitz zu Sitz und nötigte die Busreisenden, in die Schachtel zu greifen. »Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Eduard von Alten. Ich bin erfreut, gemeinsam mit so reizenden Mitreisenden den Bus und die Fahrt teilen zu dürfen.«
»Schleimer«,
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