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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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weit her – einerseits. Andererseits, wenn der Stein einmal ins Rollen kam, hat er sich meistens selbst überholt.
    »Ich heiße Silke.«
    »Plotek.«
    Silke grinste. Plotek wurde ein bisschen rot. Bloß gut, dass sie es nicht sehen konnte.
    »Warum nicht?«, sagte Silke und Plotek rätselte wieder, was sie meinte. Doch ehe er draufkam, hatte sie es ihm auch schon gesagt. »Auf meinen Vornamen könnte man auch gern verzichten. Aber der Nachname ist leider nicht viel besser.«
    Jetzt hätte Plotek natürlich schleunigst fragen müssen, wie denn ihr Nachname sei. Wollte er auch – aber Silke kam ihm zuvor.
    »Klein«, sagte sie.
    »Stimmt«, sagte Plotek und Silke lächelte wieder.
    Wenn man Plotek so eingehakt am Arm von Silke Klein über den Parkplatz gehen sehen hätte ohne zu wissen, dass Silke blind und Plotek sehend war, man hätte denken können, Silke führte Plotek, und nicht umgekehrt. So wackelig kam er an ihrer Seite daher, so unsicher. Das war einfach nicht seine Spezialität: Blinde führen. Obwohl das, wenn man es genau nahm, bei Plotek gar nichts mit blind oder nicht blind zu tun hatte. Vielmehr mit Frauen. Mit Frauen am Arm gehen. Er ist noch nie gern am Arm von Frauen gegangen. An der Hand auch nicht. Händchenhalten war Plotek immer ein Graus. Immer wenn Ploteks Freundinnen mit Plotek in der Vergangenheit promenieren und flanieren wollten – so wie das Verliebte eben tun, um ihre Verliebtheit nicht nur sich selbst zu dokumentieren, sondern sie auch jedem entgegenkommenden Hund auf die Nase zu binden hat sich Plotek mit Händen und Füßen geweigert und gewunden, so dass auf der Promenade schlussendlich nicht promeniert, sondern mit Händen und Füßen gestritten wurde. Der entgegenkommende Hund hat es mit einem dampfenden Haufen mitten auf dem Weg quittiert, in den dann meist Plotek, ganz auf die Auseinandersetzung konzentriert, mit seinen Mokassins hineingetreten ist.
    »Sie können ruhig schneller gehen«, sagte Silke. »Ich habe nichts an den Beinen, nur an den Augen.«
    Sie lachte. Plotek schwitzte, obwohl ein eisiger Wind über den Autobahnparkplatz pfiff und seine Halspartie unangenehm reizte. Bloß nicht krank werden, dachte Plotek und hustete. Ein Auto hupte.
    »Arschloch!«, schrie Silke. Plotek erschrak. Er wollte ihr sagen, dass das Hupen gar nicht ihr gegolten hatte, aber noch ehe er wusste, wie er beginnen sollte, flüsterte Silke, als ob es diesmal niemand anderes als Plotek hören sollte: »Nichts für ungut, Plotek. Denken Sie nicht, dass ich hier auf Teufel komm raus den Kotzbrocken spielen möchte. Aber manchmal ist es wichtig, von Anfang an einiges klarzustellen – in meiner Situation.«
    Das ist ihr gelungen, dachte Plotek, bisher – in jeder Situation.
    Als die beiden an den Toiletten ankamen, standen alle anderen bereits davor.
    Komisch, dachte Plotek, die haben doch nicht etwa auf uns gewartet? Aber vergiss es. Der Grund war das Drehkreuz. Alle standen vor dem Drehkreuz, das sich hartnäckig zu drehen weigerte. Warum? Keine Ahnung. Alle schüttelten verständnislos den Kopf.
    »Geht nicht«, sagte Herr Wilhelm zu Plotek, als ob der als Reisebegleiter dafür verantwortlich wäre.
    Ein Drehkreuz dreht sich immer nur nach einem bestimmten Mechanismus, nach einer zuvor gewählten Methode. Die war aber weder für Plotek noch für irgendeinen anderen der Busreisenden durchschaubar. Mit Geld funktioniert alles, dachte Herr von Alten und warf ein paar Münzen in den Schlitz des blinkenden Kastens, der neben dem Drehkreuz stand. Er drückte auf die bunten Knöpfe. Der Kasten blinkte, ratterte und spuckte einen Zettel aus. Na also, geht doch, dachten die um das Drehkreuz Versammelten – aber vergiss es. Das Drehkreuz bewegte sich keinen Millimeter. Dann eben zuerst Knopfdrücken, dann Geld, dann Zettel – wieder nichts.
    »So eine Scheiße«, schrie Ferdinand Schnabel und schlug mit der Faust auf den Kasten ein. Das konnte man, bei aller Verzweiflung, durchaus wörtlich nehmen. Herr Wilhelm rüttelte am Kreuz, als stünde er vor dem Bundeskanzleramt und imitierte den Kanzler. Er hatte allen Grund dazu. Es war höchste Eisenbahn. So wie einem im Supermarkt vor der Fleischtheke automatisch das Wasser im Mund zusammenläuft, so hat der Anblick einer strahlend weißen Toilette unweigerlich einen verstärkten Harndrang zur Folge. Alle Busreisenden trippelten von einem Bein auf das andere und kämpften mit Blase und anderen Verschlussorganen. Jetzt mussten alle dringend – auch die,

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