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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Das ist mindestens einmal zu viel und auf jeden Fall verdächtig. Das ist wie mit den Eiern. Wo 1 A draufsteht, ist nichts als Fischmehl drin. Während Plotek der schnabelschen Selbstüberschätzung noch gedanklich nachhing, wurde er plötzlich von einem weiteren, etwas kleineren Foto so überrascht, dass er zuerst dachte, der übermäßige Jägermeister-Konsum hätte seine visuelle Aufnahmefähigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Er kniff mehrmals die Augen zusammen – das Foto blieb dasselbe. Es lag also offenbar nicht an seinem Blick und der Aufnahmefähigkeit, sondern an dem, was auf der Rückseite des Prospektes zu sehen war. Das Foto zeigte einen unscheinbaren Mann mit großem Muttermal auf der Stirn, darunter stand Reisebegleiter Hans-Hermann Mettke. Plotek wusste sofort, dass der Mann auf dem Bild nicht nur Hans-Hermann Mettke und sein Vorgänger als Reisebegleiter war, sondern auch die Matschbirne aus dem Alzgerner Forst.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, nuschelte Plotek vor sich hin und dachte: Was macht denn die Matschbirne auf dem Prospekt? Und dann: Wie kommt das Muttermal in den Alzgerner Forst? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu und chronologisch liegt da einiges im Argen. Soll heißen: Was war zuerst da? Quasi: Henne oder Ei. Bedeutet: Was wird da von wem ausgebrütet? Irgendetwas scheint da durcheinander geraten zu sein auf dem Prospekt, im Alzgerner Forst und im Hirn vom Schnabel. Apropos: Was sagt Schnabel dazu, dass sein ehemaliger Reisebegleiter Hans-Hermann Mettke als Matschbirne im Alzgerner Forst gelandet ist? Da ist dann nichts mehr erstklassig und 1A, dachte Plotek und ließ den Prospekt in der Jackentasche verschwinden.
    »So ’ne Scheiße.«
    »Ist was?«, fragte Silke Klein, von der Theke zurück und mit Süßigkeiten in der Hand.
    »Nix«, brummte Plotek und merkte, dass nicht nur Silke ihm das nicht glaubte. Auch er selbst wusste, dass dieses Nix, in Anbetracht seines entsorgten Kollegen mit dem Muttermal, ganz schön viel war. Zu viel. Während er am Arm von Silke, jetzt noch unsicherer und wackliger, Richtung Bus tapste, tauchte der Moderator mit der Fönfrisur wieder in seinen Gedanken auf. Die betroffen klingenden, hässlichen Worte Folteropfer, abgetrennte Extremitäten, bestialische Verstümmelungen rollten Plotek wie Billardkugeln im Kopf herum, sausten von da die Speiseröhre hinunter und schlugen wie Handfeuerwaffen im Magen ein. Schlagartig war ihm schlecht. Er schwankte – wäre Silke nicht gewesen, Plotek wäre sicher gefallen. Ob es jetzt der Jägermeister oder die unerwartete Begegnung mit der Matschbirne war – keine Ahnung. Vermutlich beides.
    »Geht’s?«
    »Geht.«
    Silke zog den Griff fester, so dass Plotek jetzt ganz nah, Schulter an Schulter, an ihrer Seite ging. Natürlich hätte er bei der nächstbesten Gelegenheit Ferdinand Schnabel zur Rede stellen können und fragen, was das mit Hans-Hermann Mettkes »kurzfristigem Ausfall«, wie er es im Froh und Munter nannte, auf sich hatte. Wusste Schnabel über das endgültige Aus seines Reisebegleiters Bescheid? Wenn ja, warum dann diese Verharmlosung? Wollte der mich verarschen oder hat er etwas zu verbergen?, dachte Plotek, jetzt fast mit Silke Klein im Gehen verschmolzen. Wenn ja, was? Hatte Schnabel was mit dem »Ausfall« seines Reisebegleiters zu tun? Oder war der Touristikfachmann und Busunternehmer in erster Linie um sein Unternehmen bemüht und an seinem Geschäft interessiert – das Schicksal seiner Angestellten irrelevant? Quasi, ob Folteropfer oder Influenza ganz egal – Hauptsache, irgendein Arsch sitzt im Bus auf dem Sessel neben ihm.
    »Sie wollen darüber nicht reden, stimmt’s?«, sagte Silke.
    »Stimmt«, sagte Plotek, als sie gerade Korbinian Stremmel überholten.
    Dabei fiel Plotek auf, dass Herr Stremmel hinkte. Auch zu viel Jägermeister, dachte er.
    »Ho-holzbein!«, sagte Stremmel fast stotterfrei.
    Silke hakte sich mit dem anderen Arm bei Stremmel ein, so dass sie jetzt von Plotek rechts und Stremmel links eskortiert wurde. Wer sich da jetzt an wem festhielt und wer wen führte, war überhaupt nicht mehr festzustellen. Jeder für sich schien fragil und eingeschränkt zu Fuß zu sein – alle zusammen waren jedoch wie ein voranschreitendes Bollwerk, dem Entgegenkommende bereitwillig Platz machten.
    Am Bus angekommen drängte Ferdinand Schnabel zum zügigen Einsteigen. Aber vergiss es. Herr Wilhelm wollte unbedingt an seinen Koffer im Gepäckraum.
    »Das geht jetzt nicht«, sagte

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