Schoene Bescherung
Alten ganz abhanden gekommen zu sein.
»Wär’s denn möglich, dass Frau von Ribbenhold und ihre Enkelin gemeinsam ein Zimmer bekommen könnten?«, mischte sich Herr von Alten ein. »Mit getrennten Betten vielleicht.«
Keine Ahnung, hätte Plotek sagen wollen. Möglich ist vieles, ausgeschlossen noch mehr, wahrscheinlich gar nichts – kommt eben darauf an – worauf? Egal. Ist er also los und hat an der Rezeption verhandelt. Und: Kein Problem – in einem 5-Sterne-Hotel gibt es keine Probleme, jedenfalls keine, die nicht gelöst werden könnten.
Kaum war von Ribbenhold mit ihrer Göre in einem anderen Zimmer, kam schon die dicke Frau Weller, jetzt außer sich, auf Plotek zu.
»Das geht nicht! Unmöglich! Herr Plotek, also wirklich, wo denken Sie hin? Meine Mutter ist zwar schon 83, ein wenig – Sie wissen schon . . . Aber doch kein kleines Kind mehr. Die kann gut alleine in einem Zimmer schlafen, die braucht mich nicht, am wenigsten in der Nacht, gell, Mami. Also, bitte, Herr Plotek, wäre es vielleicht möglich, dass Sie uns zwei separate Zimmer besorgen?«
Ist er wieder zur Rezeption, und wieder: Kein Problem. Übernahmen Frau Weller und ihre Mami einfach die Zimmer von Frau von Ribbenhold und Marie-Louise. Und schon waren alle zufrieden. Außer Marie-Louise vielleicht. In ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium hatte sie natürlich keine Lust, jede Nacht mit ihrer Oma zu verbringen. Mit wem dann? Na ja, von Betreten des Hotels an interessierte sie sich plötzlich nicht mehr für ihr Mädchenmagazin, sondern schien ein großes Interesse am zum Teil sehr jungen männlichen Hotelpersonal zu haben. Bei den Blicken der Kleinen auf den einen oder anderen Hotelbuben in Uniform hätten aussichtsreiche Wetten abgeschlossen werden dürfen – mit Gewinngarantie.
»Die hat es schon faustdick hinter den Ohren«, sagte Skolny als Reaktion auf Marie-Louises Augengeklimper und empfahl sich als Frauenkenner.
Die Einzige, der Marie-Louises Veränderung verborgen blieb, war Frau von Ribbenhold. Sie war viel zu sehr mit Herrn von Alten beschäftigt, als dass sie noch ein Auge für ihre Enkelin gehabt hätte.
Als die Vergabe der Hotelzimmer geklärt war und alle sich mit dem Auspacken der Koffer beschäftigten, kam Ferdinand Schnabel zu Plotek aufs Zimmer. Zimmer! Plotek hatte ja schon viel gesehen, aber das überstieg die Vorstellungswelt eines Menschen aus kleinbürgerlichen Verhältnissen mit Hang zum Proletariat. Hier bekam Dekadenz ein Gesicht. Luxus wurde anschaulich. Beim Anblick wurde es Plotek schwindelig: alle Möbel vermutlich Biedermeier – Schrank, Bett, Kommode, Nachttisch, Sessel, Sofa – aus feinstem dunkelbraunen bis schwarzen Edelholz. An den Wänden Stofftapeten mit demselben Muster wie Sofa und Sesselüberzüge. Stuckdecken, Kronleuchter, Teppich. Fenster wie Scheunentore und Vorhänge aus edlem Stoff. Feinste Gardinen. Das Bad komplett aus Marmor. Fußbodenheizung. Badewanne, Dusche. Telefon im Zimmer und neben der Kloschüssel. Vergoldete Armaturen. Wasserhähne mit Kippmechanismus. Wahnsinn! Befremdlich! Befremdlicher Wahnsinn! Und das war erst das normale Doppelzimmer. Wie sah es wohl in den Suiten aus? Das Einzige, was Plotek etwas verstörte, war der Geruch. Es roch im Zimmer wie die Duftbäumchen am Rückspiegel mancher Autos. Frisch und künstlich. Auf die Dauer unangenehm. Ob die Duftbäumchenhersteller sich jetzt am Geruch der Luxushotels orientierten oder umgekehrt – keine Ahnung.
»Na, nicht schlecht hier, was?«, sagte Schnabel fast schon nüchtern.
»Und das für dreihundert Euro die Woche, komplett, Spezialpreis.«
Wie das ging, war Plotek ein Rätsel. Vermutlich hatte auch so ein Grandhotel in diesen angespannten Zeiten zu kämpfen. Lieber ein gebuchtes Hotelzimmer zum Schnäppchenpreis als ein leerstehendes. So kann auch der Plebs vom Niederrhein oder Allgäu für ein paar Tage im Jahr die Luft der High Society schnuppern. Auch wenn die ähnlich riecht wie im VW Polo.
»Aber jetzt was anderes«, sagte Schnabel eine Spur zu vertraulich. »Lass dich nicht stressen und die Alten einfach reden.«
Er steckte sich eine HB an, nahm einen kräftigen Zug und streichelte anschließend wieder seinen Schnurrbart.
»Der Ablauf des Aufenthalts ist ja im Prinzip klar. Ein bisschen Sightseeing, Weihnachtsfeier und Wellness-Programm. Jeder hat ja den Zettel gekriegt und jeder weiß, was wann kommt – ob sie sich dann dran halten, ihr Bier. Aber trotzdem muss das Ganze irgendwie zusammengehalten
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