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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Grenzbeamten mit den Schnauzbärten lachten und schüttelten den Kopf. Ob es jetzt Schadenfreude oder Mitleid war – keine Ahnung. Des einen Freud, des anderen Leid, dachte Plotek und dann von Hermine Kaspar wieder zum Grenzbeamten und seiner nörgelnden Alten. Und jetzt musste auch er ein wenig schmunzeln.
    »Lach nicht so blöd!«, zischte Schnabel und legte, nass wie ein Waschlappen, den ersten Gang ein.
    Nach halbstündiger Verzögerung ging es endlich weiter, während jeder der Reisenden, zumindest in Gedanken, für einen Moment zu Hermine Kaspar an die Raststätte zurückging – und schon vorbei.
    »Was ist der Unterschied zwischen dem Hund und der Oma?«, fragte Herr Wilhelm. »Der Hund findet wieder nach Hause.«
    Keiner lachte.

5
    Jetzt kippte Plotek beinahe aus seinen Mokassins, als er das Grandhotel sah. Wie aus einer anderen Zeit stand es vor ihm. Groß, erhaben und stolz. Es war ja auch aus einer anderen Zeit. Aus einer ganz anderen. Ende des 17. Jahrhunderts gebaut, seit Mitte des 18. Jahrhunderts als Hotel genutzt, überstand es nicht nur alle Widrigkeiten von drei Jahrhunderten. Es hat auch alle, die hier ein – und ausgingen, überlebt. Und da waren so manche Berühmtheiten drunter. Auf Anhieb fiel Plotek niemand ein – höchstens Goethe. Ob der nun aber in Karlsbad oder Marienbad kurte, darüber schien es unter den Reisegästen unterschiedliche Auffassungen zu geben.
    »Sowohl als auch«, sagte Herr Skolny. »Zuerst Marienbad, dann Karlsbad, dann wieder Marienbad, zuletzt Karlsbad. Da hat der alte, geile Bock dann auch seine berühmte Elegie auf das kleine Luder geschrieben.« Die Hand auf der Brust, die Stimme vertieft, fing er an zu rezitieren: »›So quellt denn fort und fließet unaufhaltsam, / Doch nie geläng’s, die innre Glut zu dämpfen! / Schon rast’s und reißt in meiner Brust gewaltsam, / Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen. / Wohl Kräuter gäb’s, des Körpers Qual zu stillen; /Allein dem Geist fehlt’s am Entschluss und Willen.‹ Dass ich nicht lache. Der Wille! Ha, der Wille war da, der Entschluss stand aufrecht in der Hose, aber das Weib, die Göre, das geile Luder war einfach ein paar Nummern zu groß, ein paar Jahre zu frisch für den senilen alten Sack. Er 74, sie 19 – da bleiben einem dann eben nur noch Worte, ein wenig Geifer und manchmal in der Nacht ein feuchter Traum.«
    »Sie mögen Goethe nicht?«
    Skolny nahm einen kräftigen Zug von seiner Filterlosen. »Kann man diese schwülstige Altmännerlyrik mögen?«
    Aber Goethe ist doch auch Faust, Mephisto, des Pudels Kern, Habe nun ach die Philosophey. . . und alles, wollte Plotek verteidigend einschreiten. Dabei musste er an seine intensive Begegnung mit Goethe in Regensburg denken, oder vielmehr mit Margarethe, damals in den neunziger Jahren am Stadttheater. Er war Mephisto und hatte eine Affäre mit dem Gretchen. Jetzt nicht auf der Bühne, sondern im Leben, wobei das Gretchen die Realität und die Bühne irgendwie durcheinander gebracht haben musste. Sie endete nicht nur auf der Bühne in der Klapse, auch real kam sie in die Nervenheilanstalt. Ging wieder eine hoffnungsvolle Schauspielerkarriere zu Ende – aber das dem Goethe anzukreiden, wäre dann doch etwas weit hergeholt. Obwohl bezüglich des Faust, also Dramaturgie, Rollengestaltung, Interpretation, Inszenierung und alles, auf der Bühne jeglichen Absonderlichkeiten Tür und Tor geöffnet sind. Da war schon alles da. Faust schwul, liebt Mephisto. Mephisto ist eine Frau, liebt Gretchen, Gretchen Junkie und auch schwul, liebt Marthe. Marthe ist eine Nutte, Auerbachs Keller ein Puff und der Pudel rasiert. Bezüglich Faust gibt es nichts, was es nicht gibt. Da kann man schon mal verrückt werden. Das ist ja auch das Schöne daran, dachte Plotek, positiv jetzt. (Für die in der Zwangsjacke war das jetzt eher negativ.) Da ist der abwegigsten Fantasie keine Grenze gesetzt und bietet einen unendlichen Interpretationsspielraum. Welches Stück kann das schon von sich behaupten? Da musste Plotek schon die ganze Theaterliteratur durchdeklinieren, um dann doch wieder nur bei Shakespeare hängen zu bleiben. Aber sonst? Vergiss es.
    Solche Gedanken waren Herwig Skolny fremd. Den Zigarettenrauch in kräftigen Stößen entweichen lassend, sagte er: »Da hat sich der sexualisierte Greis von seiner eigenen Sentimentalität und der Hoffnung, kurz vor dem Ableben noch ein Nümmerchen mit dem prallen Leben zu schieben, hinreißen lassen.«
    Was für ein abwegiger

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