Schöne Khadija
wach war.
Einer der Männer kam mit einem Teller Mais und Bananen und einem Becher heißem Tee herein. Über der Schulter hatte er ein Gewehr hängen und eine Taschenlampe sah aus seiner Hosentasche. Vorsichtig stellte er den Teller auf den Boden. Dann schaltete er die Taschenlampe ein und hielt Mahmoud den Becher hin.
Mahmoud hatte Hunger und sehr, sehr großen Durst. Aber warum sollte er jemandem vertrauen, der ihn von seiner Familie weggeholt hatte? Er sah den Becher an und dann den Teller auf dem Boden und versuchte, klar zu denken.
»Komm schon, trink.« Der Mann hockte sich neben ihn und hielt ihm immer noch den Becher hin. »Wenn du nicht trinkst, wirst du noch krank.«
Mahmoud sah den Tee an. »Und wenn ich trinke?«
Einen Augenblick lang sah ihn der Mann verständnislos an. Dann lachte er. »Es ist guter Tee, keine Angst.« Er hielt ihm die Tasse näher hin.
Mahmoud schluckte und spürte, wie trocken seine Kehle war. »Trink du zuerst«, forderte er den Mann auf.
Einen weiteren langen Moment hielt der Mann ihm den Becher weiter hin und sah Mahmoud ins Gesicht, als erwarte er, dass er nachgab und trank. Mahmoud erwiderte seinen Blick unbeirrt.
Schließlich lachte der Mann, trank ein wenig Tee und legte den Kopf zurück, damit Mahmoud sehen konnte, dass er schluckte. Dann hielt er ihm den Becher wieder hin und lächelte, als Mahmoud ihn nahm. »Du bist ein guter Junge«, sagte er.
Mahmoud lächelte ebenfalls, um zu zeigen, dass er dankbar war.
»Bismillaah«, sagte er. Und trank.
Maamo sagte kein Wort mehr über Suliman, nicht, bis er um Viertel nach drei vor dem Haus vorfuhr. Nicht, bis er gehupt hatte und Khadija und ich unsere Mäntel nahmen. Da hob sie den Kopf und sah uns an.
»Ich muss gleich weg«, sagte sie beiläufig. »Ihr werdet Sahra und Maryan mitnehmen müssen.«
»Was ist mit Fowsia?«, fragte ich. »Kann sie nicht …?«
»Nein, kann sie nicht.« Maamo sah wieder ihre Näharbeit an. »Fowsia kommt mit mir.«
»Aber wir gehen mit Onkel Suliman weg«, sagte ich.
»Er hat in seinem großen Auto sicher noch Platz für zwei mehr.« Sie nickte Sahra und Maryan zu. »Holt eure Mäntel, ihr geht mit Abdi.«
»Sie können nicht mitkommen«, erklärte ich. »Sag es ihr, Khadija.«
Aber Maamo ließ Khadija keine Gelegenheit, mich zu unterstützen. »Wie ihr wollt.« Sie faltete das Kleid zusammen, an dem sie nähte. »Wenn ihr sie nicht mitnehmen könnt, dann müsst ihr eben hierbleiben und euch um sie kümmern.«
Was sollten wir tun? Wenn wir die beiden kleinen Mädchen mitnahmen, würden sie zurückkommen und erzählen, wo wir gewesen waren und wen wir getroffen hatten. Aber wenn wir ohne sie gingen, würde Maamo wissen, dass wir etwas zu verbergen hatten.
Ich sah Khadija an, aber sie zuckte nur mit den Achseln und nahm ihre Tasche. »Komm«, sagte sie. »Er wartet.«
Maryan und Sahra liefen vor uns die Treppe hinunter. Je näher wir Suliman Osmans Auto kamen, desto schlechter konnten wir es unsvoller Kinder vorstellen. Ich glaubte schon, er würde nur einen Blick auf uns werfen und den Kopf schütteln.
Aber das tat er nicht. Als er uns kommen sah, nahm er sein Telefon und rief jemanden an und als wir sein Auto erreichten, lächelte er.
»Wie schön eure Familie zusammenhält«, meinte er.
Ich verzog das Gesicht. »Maamo hat befohlen, dass wir sie mitnehmen. Ich konnte nicht …«
»Schon gut.« Suliman winkte mich auf den Beifahrersitz, während die Mädchen hinten einstiegen. »Lasst uns fahren. Faarah wartet.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Wer war Faarah? Ich hätte ja gefragt, aber als ich den Mund aufmachte, sah mich Suliman von der Seite an und verzog den Mund. »Schon gut«, meinte er wieder. »Hör auf zu grübeln und stell lieber das Radio an.«
Ich suchte einen Radiosender, der Musik spielte, konnte aber nicht aufhören, nachzudenken. Ich hatte ja keine Ahnung, dass wir gleich die perfekte Vorstellung davon bekommen sollten, wie Suliman arbeitete. Kein Stress. Nur eine glatte Operation, bei der von vornherein an alles gedacht wurde.
Wir waren kaum zehn Minuten gefahren, als wir vor einem Möbelhaus anhielten. Suliman schaltete den Motor aus und der Besitzer kam heraus, um uns zu begrüßen. Er war ein Bruder. Somalier.
Doch er runzelte auf sehr unsomalische Weise die Stirn, als er die beiden kleinen Mädchen sah, und fragte. »Was machen die denn hier?«
»Nun, weißt du …« Suliman breitete lächelnd die Hände aus. »Sie müssen irgendwo bleiben,
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