Schöne Khadija
dich diese Frau nicht nur aufziehen will, Khadija?«
»Du verstehst das nicht«, erwiderte ich. » Ich bin das Geheimnis, nicht die Kleider. Niemand darf wissen, wer ich bin.«
Wieder blitzten seine Augen im Rückspiegel auf, als wolle er sehen, ob ich das ernst meinte. Doch er konnte natürlich mein Gesicht nicht sehen. Ich starrte zurück und sah, wie sein Lächeln erlosch, aber er sagte nichts weiter, sondern fuhr los. Und auch ich sagte nichts, sondern starrte nur auf seinen Hinterkopf und fragte mich, wozu er die Waffe brauchte.
Fünfzehn Minuten später hielten wir vor einem hohen neuen Wohnblock mit Sicherheitsschranken am Eingang. Suliman nickte Abdi zu. »Ruf sie an und sag ihr, dass wir hier sind.«
Abdi tippte bereits Sandys Nummer. Als sie antwortete, drehte er sich um und wiederholte mir, was sie sagte. »Du sollst alleine hineingehen, Khadija. Sie wird jemanden herunterschicken, der dich abholt, einen Mann namens David.«
»Und was ist mit uns?«, erkundigte sich Suliman. »Will sie uns ausschließen?«
Er musste so laut gesprochen haben, dass Sandy ihn gehört hatte, denn es folgten einige weitere Anweisungen über das Telefon.
»In Ordnung«, sagte Abdi. »Wir sehen uns in zehn Minuten. Und Khadija kommt jetzt.« Er wedelte ungeduldig mit der Hand, dass ich aussteigen sollte und ich riss schnell die Tür auf. Dabei verhedderten sich meine Turnschuhe im Saum meiner Abayad und beinahe wäre ich gestürzt.
»Mit einem Minirock wäre dir das nicht passiert!«, rief Suliman hinter mir her.
Ich hob den Kopf und überquerte mit langen Schritten schnell den Gehweg. An der Glastür angekommen sah ich auf der anderen Seite der Eingangshalle den Aufzug kommen, aus dem ein großer Mann ausstieg und leicht die Hand hob, um zu zeigen, dass er mir entgegenkam.
Einen Augenblick später glitten die Glastüren auseinander und ich trat ein.
»Hallo«, sagte der Mann. »Ich bin David. Freyas Vater.« Das hätte ich wahrscheinlich auch so erraten, denn er sah ihr sehr ähnlich. Er war blond und blass, hatte ein kantiges Gesicht und hellblaue Augen.
Ich hob den Kopf, um ihm meinen Namen zu nennen. »Ich bin …«
Doch er unterbrach mich, bevor ich etwas sagen konnte. »Du bist Qarsoon«, sagte er. »So sollst du dich nennen, wenn dich die Leute fragen.«
Qarsoon. Die Verborgene . Wieder ein neuer Name, mit dem ich wiederumden verstecken sollte, den man mir bei der Flucht gegeben hatte.
Immer neue verhüllende Schichten.
»Ich bin Qarsoon«, sagte ich gehorsam.
David nickte lächelnd. Dann ging er zum Lift voran. Als wir nach oben fuhren, begann er mich mit ruhiger Stimme auf das vorzubereiten, was gleich geschehen würde.
»Vielleicht wird dieses Treffen nicht ganz so friedlich verlaufen. Marco hat darauf bestanden, anwesend zu sein. Er ist Sandys Geschäftsführer und ich habe den Eindruck, dass er nicht mit ihren Plänen einverstanden ist. Aber davon darfst du dich nicht beeindrucken lassen. Wahrscheinlich wird er reichlich herumstampfen und brüllen. Aber letztendlich bekommt Sandy doch immer ihren Willen.«
Aus dem Aufzug kamen wir in einen hellen, mit Teppichboden ausgelegten Gang, und David nahm seinen Schlüssel. »Hier wohne ich. Und Freya wohnt ebenfalls hier, wenn sie nicht bei Sandy ist. Herzlich willkommen.« Er schloss die Tür auf und führte mich durch die Diele ins Wohnzimmer.
Ich hatte das Gefühl, in den Himmel hinauszutreten. Wir befanden uns in einem großen, lichten Raum, dessen Fenster sich vom Boden bis zur Decke erstreckten. Alle Formen in diesem Zimmer waren schlicht und einfach und man hatte einen großartigen Blick über die Stadt. Alles war hell und ruhig.
Bis auf den schlanken, dunkelhaarigen Mann auf dem Sofa. Als er mich sah, runzelte er die Stirn.
»Das ist es?«, fragte er trotzig und ungeduldig. »Das ist das große Geheimnis, das die ganze Kollektion bestimmen soll? Also, Sandy, das wird doch nie funktionieren!«
Einen Geschäftsmann hatte ich mir anders vorgestellt. Er war eher ein zorniges, verzogenes Kind ohne Manieren. Aber Sandy lachte ihn aus.
»Gib der Sache eine Chance, Marco! Und sag Qarsoon guten Tag!«
Marco erhob sich und rechte mir die Hand. Er war einen Kopf kleiner als ich und seine Arme waren kräftig und stark behaart.
»Hallo«, sagte er. »Beachte mich nicht zu viel, ich leide unter zwanzig Jahren Zusammenarbeit mit Sandy Dexter. Der Arzt sagt, die Narben würden für immer zurückbleiben.«
Ich sah auf seine Hand hinunter. Ich ergriff sie
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