Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schöne Khadija

Schöne Khadija

Titel: Schöne Khadija Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Cross , Tanja Ohlsen
Vom Netzwerk:
nicht  – so etwas tun wir nicht –, aber ich neigte höflich den Kopf und sagte: »Guten Abend.«
    Seine Augenbrauen schossen in die Höhe und er trat einen Schritt vor. »Na gut, dann wollen wir dich einmal ansehen.« Er streckte die Hand aus, um meinen Schleier beiseitezuziehen.
    Sandys Arm schoss vor und sie schlug seine Hand weg. »Nein, lass das! Niemand bekommt sie zu sehen!«
    Marco starrte sie an. Ich starrte sie auch an. Meinte sie wirklich, dass sie das durchziehen konnte? Was sollte ich tun, wenn er es noch einmal versuchte, wenn sie nicht dabei war?
    Aber er versuchte es nicht. Er trat ein paar Schritte zurück und sah mich von oben bis unten an. »Kann sie laufen?«
    »Natürlich kann sie das.« Sandy nickte mir zu. »Bitte zeig es ihm, Qarsoon. Geh auf und ab, so wie du es in Merry Fox’ Büro getan hast.«
    Ich straffte die Schultern und begann vor dem großen Fenster auf und ab zu gehen, den Kopf hoch erhoben. Der Saum des langen Rockes schwang um meine Beine. Ich war entschlossen, mich von diesem Marco nicht auslachen zu lassen. Ich würde ihm schon zeigen, wie gut ich laufen konnte.
    Und er sah zu. Schweigend zupfte er an seinem Ohrläppchen und folgte mir mit den Blicken, während ich hin- und herlief. Ich lief stolz und vermied es, ihn auch nur einmal anzusehen, sondern stellte mir vor, dass ich auf der anderen Seite der Glasscheibe lief und von Wolke zu Wolke über den Himmel schritt.
    Ich war wohl fünf Minuten oder länger gelaufen, als er die Hand hob, damit ich stehen blieb.
    »Nicht schlecht«, musste er widerwillig zugeben. »Sie wird wunderbar aussehen auf dem Laufsteg.« Dann wirbelte er zu Sandy herum. »Und das ist auch alles, was du brauchst. Es hat keinen Sinn, jemandenin eine banditenverseuchte Wüste zu schleifen. Du musst hier in London bleiben, mit den Kleidern. Denn hier werden auch deine Kunden sein.«
    »Ich werde sie nicht in London zeigen«, erklärte Sandy ruhig. »Ich habe dir doch gesagt, was ich tun werde.«
    Marco wurde puterrot und seine Augen begannen hervorzutreten. Er kam auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen, sodass er mir durch den Schlitz in meinem Schleier direkt in die Augen sehen konnte. »Und was sagst du dazu, Qarsoon? Bist du dazu bereit, die London Fashion Week zu verpassen, nur damit du zwanzig Minuten in Somalia auf und ab spazieren kannst? Von allen grauenhaften Orten auf der Welt ausgerechnet Somalia! Macht dir die Vorstellung Spaß?«
    Was meinte er denn damit? War es wirklich möglich …?
    Bevor ich nachfragen konnte, brüllte er Sandy erneut an. »Es ist eine großartige Kollektion! Eine brillante Kollektion! Und du willst alles wegwerfen, weil du die lächerliche Vorstellung hast, dass du das gottverlassenste Land in Afrika besuchen musst!«
    Auf Sandy machte die Brüllerei keinen Eindruck. Sie saß mit im Schoß gefalteten Händen auf dem Sofa und sah ihn nur an. Ich hatte das Gefühl, als wolle sie warten, bis er sich heiser geschrien hatte, damit sie wieder Nein sagen konnte, ohne die Stimme erheben zu müssen.
    Doch ich konnte nicht zulassen, dass er weiterhin so schreckliche, falsche Dinge sagte. Ich stand auf und versuchte ihn zu unterbrechen.
    »Entschuldigung …«
    Ich glaube, er hörte mich nicht einmal, er brüllte nur weiter herum und wurde dabei immer roter und roter. »… und es nutzt auch nichts, so zu tun, als hättest du es nicht nötig, die Kleider zu verkaufen …«
    »ENTSCHULDIGUNG !«
    Ich hatte nicht beabsichtigt zu schreien, aber es kam sehr laut heraus. Lauter als Marcos Stimme. Er hörte auf zu schreien und drehte sich mit offenem Mund zu mir um.
    Höflich erklärte ich ihm: »Ich muss Ihnen sagen, dass Somalia keineswegs gottverlassen ist. Und es ist nicht abscheulich. Es ist einwunderschönes Land und wenn Sandy mich bittet, dorthin zu gehen, werde ich das sehr gerne tun.«
    Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille, als ob alle überrascht wären, dass ich mein Land liebte.
    Dann sagte Sandy sehr, sehr leise: »Seht ihr! Jawohl!« Sie sagte es nicht zu mir, sondern zu Marco. »Wie kannst du überhaupt von Somalia reden, ohne je da gewesen zu sein? Und wie soll ich diese Kollektion verkaufen – wie soll sie denn überzeugen –, wenn ich den Leuten nicht zeige, dass ich nicht nur herumspinne? Natürlich werde ich dorthin gehen!«
    So, wie sie es sagte, war dies das Ende der Diskussion. Sie würde ihre Meinung nicht mehr ändern, ihre Pläne standen fest.
    Ich hätte gedacht, dass Marco etwas sagen

Weitere Kostenlose Bücher