Schöne Khadija
grinste, als löse das all unsere Probleme, aber mir war nicht so zumute. Als wir in den Gang traten, sah ich Suliman noch einmal an. »Bitte, vergiss Mahmoud nicht«, sagte ich. »Wir müssen ihn schnell finden. Bitte alle Leute, die du in Somalia kennst …«
Suliman neigte den Kopf. »Natürlich werde ich das. Ich verspreche dir, dass für deinen Bruder alles getan wird, was möglich ist. Alles.«
Er machte die Tür auf und sah uns nach, als wir die Treppe hinuntergingen.
Abdis Mutter nähte, als wir nach Hause kamen, und ließ lange Stoffbahnen durch die klapprige alte Nähmaschine rattern. Als Abdi ihr von der Entführung erzählte, setzte sie sich ruckartig auf, erschrocken und traurig zugleich.
»Wer hat ihn entführt?«, fragte sie.
Woher sollten wir das wissen? Glaubte sie, die Männer am Telefon hätten ihre Namen genannt?
»Onkel Suliman wird versuchen, es herauszufinden«, erzählte Abdi. »Am Sonntag wollen wir uns mit einigen seiner Freunde unterhalten.«
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Maamo. »Was weiß Suliman denn darüber?«
»Er kennt Leute «, erklärte ich. »Eine Menge Leute, in England und in Somalia. Es muss ihm gelingen, etwas in Erfahrung zu bringen.« Ich versuchte, ruhig und gefasst zu bleiben, aber meine Stimme verriet, wie sehr ich mich darum bemühen musste.
Maamo legte mir einen Arm um die Schultern. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie. »Deinem Bruder geht es bestimmt gut. Wenn sie erst erkennen, dass du nur ein armes Schulmädchen bist, werden sie ihn gehen lassen.« Sie drückte mich an sich.
Ich öffnete schon den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen.
»Es wird alles gut werden«, behauptete Maamo und wandte sich wieder ihrer Nähmaschine zu. Sie breitete das Material aus und schnippte heftig den Schlitten herunter, um den Stoff festzuhalten. »Es besteht kein Grund, dass sich Suliman Osman in unsere Familienangelegenheiten mischt.«
»Das ist keine Einmischung«, sagte Abdi. »Natürlich will er uns helfen. Er war schließlich einer der besten Freunde meines Vaters, oder?«
Die Nähmaschine schwieg plötzlich. Einen Augenblick lang hielt Maamo die Hände ganz still. Dann zuckte sie mit den Achseln. »Nun – Suliman Osman macht, was er will. Wie immer. Hoffen wir das Beste für deinen Bruder.« Sie ließ die Nadel über einen Saum surren und damit war das Gespräch beendet.
Dachten wir zumindest.
Am Sonntag war meine Geburtstagsparty.
Nicht mein richtiger Geburtstag, damit das klar ist. Ich bin im September geboren – mitten im Trubel der Londoner Fashion Week. Damals bekam Sandy eine Menge Publicity (welcher andere Designer trat schon mit einem Neugeborenen auf dem Arm auf die Bühne, um den Applaus entgegenzunehmen?), aber seitdem ist das Datum meines Geburtstags immer ein Problem gewesen.
Besonders, was die Partys angeht.
Am Anfang, als Dad noch eine richtige Karriere hatte, war er meist am anderen Ende der Welt. Also musste Sandy meine Partys organisieren und meine Freunde wurden ganz kurzfristig zu allen möglichen merkwürdigen Orten eingeladen. Zum Beispiel Starbucks um halb zehn am Montagmorgen. Oder in den Garten in unserem Block, um Mitternacht (das war sehr beliebt). Oder in einen Zug nach Manchester. ( Natürlich macht ihnen das Spaß, hatte Sandy behauptet. Alle Kinder lieben Züge. )
Als Dad schließlich nachgab und Lehrer wurde, entschied er, dass ich einen offiziellen Geburtstag im Juli brauchte. Weil man dann davon ausgehen konnte, dass Sandy da war. Und er hatte die Idee, eine große Lunch-Party für mich zu organisieren, mit neuen Überraschungskleidern für mich und Caterern, die für das Essen sorgten. Keine Kinder – für den Fall, dass etwas schiefging. Nur Dad und Sandy und ich. Und meine Taufpaten Merry und Spike.
Es war lustig, die beiden nebeneinander sitzen zu sehen. Jedes Jahrwurde Merry scharfkantiger und gepflegter als im Jahr zuvor, mit goldenen Ringen an allen Fingern und Haaren wie ein goldener Helm. Und Spike wurde jedes Jahr dünner und blasser, hatte immer abgerissenere Kleider und ein gelberes Gesicht. Und sie hörten nie auf, einander zu necken.
Bis Spike vor zwei Jahren starb. Danach war es nicht mehr lustig.
Wir decken immer noch seinen Platz und gießen ihm ein Glas Brandy ein.
Dieses Jahr sah es so aus, als sollte es die beste Party überhaupt werden. Dad und ich hatten eine Woche lang am Menü gebastelt und als ich am Sonntagmorgen das Kleid auspackte, war es perfekt. Es war schlicht
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