Schöne Khadija
und lässig, ohne aufwendigen Firlefanz – und natürlich ohne Label. Dad schneidet sie immer ab und schwört, er hätte es bei Marks & Spencer gekauft.
Pünktlich um elf Uhr nahm ich ein Bad und Dad rief Sandy an, um sicherzugehen, dass sie es nicht vergessen hatte. Es muss eine Art Widerstand gegeben haben, denn ich vernahm ein wenig Geschrei, aber als ich angezogen war, tauchte Sandy auf, mit einem großen Strauß weißer Rosen und einem winzigen Päckchen in einem japanischen Geschenktuch. Alles sah gut aus.
Und als Merry eintrat, schien das Ganze perfekt.
Meine Party ist die einzige Gelegenheit, bei der sie sich gehen lässt. Überall sonst muss sie smart, aber zurückhaltend sein, und ihr professionelles Image aufrechterhalten. Zu meiner Party trägt sie immer ein total ausgeflipptes Kleid, eine Explosion aus rotem Taft oder einen Regen aus Metallkugeln. Dieses Jahr war es glatter, smaragdgrüner Satin mit einer großen Rüsche auf der Vorderseite.
Sandy schlug die Hände über dem Kopf zusammen: »Nein, Merry!«, schrie sie. »Oh, nein, nein, nein!«
Merry sah recht selbstzufrieden drein, denn genau diese Reaktion hatte sie sich erhofft. Meine Geburtstagsparty ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie ihr Lieblingsspiel spielen kann: Sandy schockieren . Sie schwang die Hüften, um die Rüschen wogen zu lassen,küsste mich und zog mein Geschenk hervor (eine Mara-Hennessy-Tasche, für die wohl jeder außer mir gestorben wäre).
Dad tat so, als wolle er nach seiner Kamera greifen, aber Merry schlug ihm auf die Finger. »Wage es ja nicht! Ein Foto und ich verklage dich!«
Die erste Stunde amüsierten wir uns bestens. Sandy und Merry spielten sich die Bälle zu und tauschten entsetzliche Gerüchte aus, die immer absurder wurden. Als wir beim Erdbeer-Windbeutel-Kuchen angekommen waren, hatten sie jeden Bezug zur Realität verloren. (»Und du ahnst nicht, wer die andere Frau gewesen ist!« »Nein! In einem BALLON ??«) Wir lachten alle vier völlig hysterisch.
Doch gerade als Dad den Nachtisch verteilte, änderte sich plötzlich alles.
Merry machte die Handtasche auf, um nach einem Taschentuch zu suchen, weil ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Als sie sich das Gesicht abtupfte, fragte sie ganz nebenbei: »Oh, weil ich gerade daran denke, Sandy … du hast vergessen, Siobhan dieses Jahr für deine Show zu buchen.«
Sandy sah auf ihren Teller und schubste eine Erdbeere mit dem Löffel herum. »Eigentlich ist Siobhan nicht ganz das, was ich brauche. Nicht dieses Jahr.«
Merry ließ das Taschentuch in die Handtasche fallen und hob ganz langsam den Kopf. Sie riss die Augen auf. Wir alle rissen die Augen auf. Aber Sandy schob nur weiter die kleine Erdbeere auf dem Teller herum.
»Was?«, fragte Merry kurz und scharf. Das Lachen war mit einem Schlag erstorben.
Jeder will Siobhan. Immer. Sie hat eines dieser wundervollen irischen Gesichter – weiße Haut, blaue Augen und rabenschwarzes Haar – und die Kamera liebt sie. Bis zu diesem Moment war sie, seit Sandy sie bei der Arbeit an einer Käsetheke entdeckt hatte, das Gesicht bei Sandy Dexter gewesen.
Und sie war Merrys Star.
Sandy sah nicht auf. »Diese Kollektion ist ein wenig anders«, erklärte sie. »Ich brauche ein anderes Model für Anfang und Ende der Show. Und Siobhan würde es nicht gefallen, die Nummer zwei zu sein.«
(Damit hatte sie recht. Siobhan ist wahrscheinlich die empfindlichste, eigensüchtigste und arroganteste Neunzehnjährige der Welt.)
Merry ließ ihre Handtasche zuschnappen. »Und … ist das jetzt nur ein Wechsel für den Catwalk? Oder willst du ein neues Gesicht für diese Kollektion?«
»Ich glaube, wir haben schon jemanden gefunden«, murmelte Sandy. Sie hob den Kopf und sah Merry unschuldig an. »Wir nennen sie Qarsoon.«
» Carsone? « Merry sah aus, als hätte sie aus Versehen in eine Zitrone gebissen. »Was ist denn das für ein Name?«
»Es bedeutet Die Verborgene «, erklärte Sandy und lachte kurz auf. »Das ist natürlich nicht ihr richtiger Name.«
»Natürlich nicht.« Merry schluckte schwer. »Und wer ist ihr Agent?«
Sandy sah sie groß an. »Ich fürchte, das ist ein Geheimnis.« Sie nahm die Erdbeere auf den Löffel und aß sie, als sei alles in Ordnung. Als ob sie nicht gerade ihre älteste Freundin vor den Kopf gestoßen hätte.
Dad hatte wie erstarrt mit einer leeren Schüssel in der Hand daneben gestanden. Er blinzelte und nahm sich etwas von dem Kuchen. »Das hier sollte doch eine
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