Schöne Khadija
würde, weil er bislang die ganze Zeit herumgebrüllt hatte. Aber ich irrte mich. Es war David, der Sandy antwortete. Und er war noch blasser als zuvor, als sei alles Blut aus seinem Gesicht gewichen.
»Wenn du nach Somalia gehst«, verkündete er, »dann komme ich mit.«
Sandy blinzelte ihn an. Sie wirkte sehr überrascht. »Und was ist mit Freya?«
»Ich kann nicht …« David schloss die Augen und legte eine Hand auf das Sofa, als müsse er sich stützen. »Glaubst du wirklich, dass ich Freya wählen würde anstatt dich? Ich kann dich nicht allein gehen lassen, Sandy.«
Ich merkte, dass er da etwas Schreckliches sagte. Ich wusste zwar nicht, warum, aber ich erkannte es am Klang seiner Stimme und an Sandys Gesichtsausdruck. Einen Augenblick lang herrschte gespannte Stille im Raum.
Dann erklang eine harsche Stimme aus dem Flur: »Nun, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass ihr mich zurücklassen müsst. Wenn ihr beide nach Afrika abdampft, komme ich mit.«
In der Tür stand Freya in abgerissenen Jeans und schäbigen, dreckigen Turnschuhen.
Ob ich gehört habe, was Dad gesagt hat? Natürlich. Ich hatte schon mindestens eine Minute dort gestanden, Abdi und Suliman waren bei mir, und ich hatte es gehört. Und sie auch.
Wie ich mich dabei gefühlt habe? Jetzt erwartet bloß keinen ausführlichen Bericht darüber. Was soll’s? Ich weiß es, ihr wisst es. Bla, bla, bla. Weiter geht‘s.
Mein dramatischer Auftritt machte erst einmal alles sprachlos, aber ich redete einfach weiter, als wäre nichts passiert. »Seht mal, wen ich vor der Tür getroffen habe. Ich habe sie zur Party mit eingeladen.«
Ich winkte Suliman und Abdi herein und trat zurück, um zu sehen, was geschehen würde. Es gab eine von jenen kurzen Pausen, in denen man das Gefühl hat, dass alles möglich sei. Dann trat Sandy vor und streckte die Hand aus. »Herzlich willkommen«, sagte sie zu Suliman. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ihre Tochter ist etwas ganz Besonderes, Mr Mussa.«
Khadija und Abdi schienen etwas sagen zu wollen, aber Suliman kam ihnen zuvor. Er trat vor, legte eine Hand an die Brust und verneigte sich leicht vor ihr.
»Bitte nennen Sie mich Suliman. Somalische Namen sind so kompliziert. Was kann ich für Sie tun?«
Er wirkte, als würde er täglich in schicken Appartements in der Stadt herumflanieren und Berühmtheiten treffen. Aber vielleicht tat er das ja, was wusste ich schon.
»Ich möchte meine Modenschau gerne in Somalia machen«, erklärteSandy geradeheraus. »Aber David sagt mir, dass das viel zu gefährlich ist. Was meinen Sie? Halten Sie es für möglich?«
Suliman schwieg einen Moment. Dann meinte er vorsichtig: »Es ist nicht so einfach, nach Somalia zu reisen, wie nach Frankreich. Man muss … bestimmte Vorkehrungen treffen. Aber wenn man das tut, dann ist es natürlich möglich. Es fahren ja ständig Menschen dorthin.«
Sandy nickte zufrieden. »Und kann ich mir das leisten? Ich muss etwa zehn Models mitnehmen – mindestens – sowie Friseure, Make-up-Artists und Ankleidehilfen. Außerdem bin ich dabei, dann David und Marco …«
»Ich komme nicht mit«, unterbrach sie Marco.
»Aber ich«, verkündete ich und sah Sandy böse an. »Denkt nicht einmal daran, mich hierzulassen!«
Dad machte den Mund auf – und klappte ihn wieder zu. Ich wusste, was er dachte, aber offensichtlich wollte er das nicht hier ausdiskutieren.
Sandy wedelte vage mit der Hand. »Das sind nur grobe Schätzungen. Wir legen die Zahlen später fest.« Dann begann sie Suliman weiter auszufragen. »Wir brauchen einen Ort für die Show und ich will einen Livestream einrichten …«
Suliman zuckte bei all dem nicht einmal zusammen. Er sah auch nicht überrascht aus, als sie anfing, über das nötige Geld zu reden. Alles, was mit der Modeindustrie zusammenhängt, kostet unglaubliche Summen von Geld, aber er hörte sich gelassen an, was Sandy zu sagen hatte. Entweder hatte er bereits gut nachgeforscht oder er war Menschen gewohnt, die mit Hunderttausenden von Dollar hantierten.
Abdi allerdings nicht. Er riss die Augen auf und begann mit Khadija zu flüstern. Falls sie etwas sagte, war es zu leise, als dass ich es hätte hören können. Und da ihr Gesicht hinter dem schwarzen Schleier verborgen war, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen.
Ich trat zu ihnen und fragte sie: »Was haltet ihr davon?«
Abdi zuckte mit den Schultern und versuchte, cool zu wirken, sagte aber nichts. Khadija jedoch antwortete mir:
»Als
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