Schöne Khadija
Sanyare – Kleinnase – gegeben hatten. Sanyare runzelte die Stirn, als er Rashids Waffe bemerkte. »Die brauchst du nicht«, meinte er. »Der Junge ist ja nicht dumm.« Er sah Rashid so böse an, dass dieser die Waffe senkte. Dann ließ er den Motor an.
Sie fuhren fast den ganzen Tag über schlechte Straßen und durch staubige kleine Dörfer. Zweimal hielten sie an, einmal, um Essen und Pepsi zu kaufen und einmal, um den Tank aus einem Benzinfass auf der Ladefläche des Trucks aufzufüllen. Mahmoud sah, dass sie nach Nordosten fuhren, aber er hatte keine Ahnung, wo sie waren oder wohin sie fuhren.
Es war fast dunkel, als sie die Küste erreichten. Wieder hielt der Laster und Sanyare öffnete die Tür.
»Ich muss Sanweyne anrufen«, erklärte er. »Ihr verhaltet euch alle ruhig.«
Rashid hielt Mahmoud eine große Hand über das Gesicht und erstickte ihn fast. Er murmelte etwas und beschwerte sich halblaut, dass es immer Sanyare war, der den Boss in England anrief. Mahmoud lauschte auf Sanyares Stimme vor dem Wagen und dachte, was für kindische Spitznamen das doch waren. Sanweyne und Sanyare. Großnase und Kleinnase. Wie bei Kindern, wenn sie spielten.
Sanyare beendete seinen Anruf und stieg wieder ein. »Sanweyne hat etwasfür uns organisiert«, erklärte er. »Wir müssen nach einem Mann namens Yusuf fragen.«
Etwa zehn weitere Minuten holperten sie an der Küste entlang, dann hielt Sanyare vor einer Reihe von Häusern. Rashid riss die Tür auf, sprang hinaus und richtete die Waffe auf Mahmoud.
»Los!«, sagte er.
Mahmouds Beine waren vom langen Sitzen ganz taub. Er stolperte aus dem Laster und Rashid stieß ihn mit der Waffe auf ein großes, einstöckiges Haus auf der anderen Straßenseite zu. Im Eingang lungerte ein Mann herum, der auf QatBlättern kaute, deren grüner Saft ihm aus dem Mundwinkel lief.
»Yusuf weiß, dass wir kommen«, erklärte Sanyare.
Der Mann winkte mit dem Daumen. »Da hinein«, sagte er.
Im Gebäude herrschte furchtbarer Lärm und es war so strahlend hell, dass es Mahmoud nach der Dunkelheit draußen in den Augen schmerzte. Zwei Männer hatten es sich auf Sesseln bequem gemacht und sahen sich auf einem Großbildschirm ein Autorennen an. Auf dem Tisch standen Bierdosen, halb abgegessene Teller mit Reis und Fleisch waren auf dem Boden abgestellt worden.
»Sanweyne hat uns geschickt«, sagte Sanyare laut, um den Lärm aus dem Fernseher zu übertönen. »Wir suchen Yusuf.«
»Ich bin hier«, antwortete einer der Männer. Er hatte schmale Augen mit einem kalten Blick. »Das ist also unser kleiner Goldschatz?« Er sah Mahmoud an und piekte ihn mit einem spitzen Finger in die Rippen.
»Wir brauchen einen Raum, in dem wir ihn verstecken können«, verlangte Sanyare.
Yusuf nickte ungeduldig. »Keine Angst, es ist alles bereit. Ich zeige es euch, sobald der Grand Prix vorbei ist.« Er wandte sich wieder dem Monitor zu und nahm einen langen Schluck Bier.
Rashid zuckte mit den Achseln und ließ sich in einen Sessel fallen. Mahmoud zog er auf den Boden. »Halt den Mund und genieße es«, befahl er. »So etwas wirst du lange nicht mehr zu sehen bekommen.«
Müde setzte sich Mahmoud auf den Boden und sah den Autos zu, die ihre Runden drehten.
Suliman schien sehr zufrieden. Als wir gingen, sang er leise vor sich hin, bis wir wieder bei Faarahs Laden angekommen waren. Ein- oder zweimal sah er mich aus dem Augenwinkel heraus an, daher wusste ich, dass wir etwas zu besprechen hatten, aber jetzt war offenbar noch nicht der richtige Zeitpunkt.
Wir holten Sahra und Maryan ab und fuhren nach Hause. Als ich ausstieg, neigte sich Suliman zu mir und sagte leise: »Komm heute Abend bei mir vorbei, wenn du Khadija zum Laden gebracht hast.«
Ich wusste zwar nicht, was er mir sagen wollte, aber ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte. Als der große Wagen abfuhr, dachte ich daran, wie Suliman das Treffen am Nachmittag geleitet hatte. Und an die Waffe unter seinem Autositz.
Es passierte etwas, wie ich es gehofft hatte. Ich spürte, wie ich über die enge kleine Nachbarschaft hinauswuchs, in der ich aufgewachsen war, hinaus in den Strom der großen, weiten Welt. Und ich wusste, wo ich hinwollte.
Als wir nach Hause kamen, räumte Maamo gerade ihr Nähzeug fort. »Warum hat das so lange gedauert?«, fragte sie Khadija, als wären wir nur einkaufen gewesen. »Wo wart ihr eigentlich?«
Sahra und Maryan erzählten ihr aufgeregt von Jaz’ Computer und ihrem Kopierer und den zehn
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