Schöne Khadija
Schlagzeilen zu Saumlängen macht und den Zeitgeist in Kleidern mit durchgehendem Reißverschluss einfängt. Und dabei versucht sie nicht einmal, besonders schlau zu sein. So etwas kommt einfach dabei heraus, wenn sie über etwas nachdenkt.
Und dieses Mal dachte sie über das Foto nach.
Sie starrte es an, bis ihr Kaffee kalt war. Dann stand sie auf und murmelte etwas davon, dass sie einen Zeichenblock brauche. »Wir könnenspäter noch weggehen, ja, Freya? Ich will mir nur erst noch ein paar Notizen machen …«
Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Wenn ich Glück hatte, sah ich sie vor dem Mittagessen noch einmal. Am Abend zuvor hatten wir geplant, den heutigen Tag zusammen zu verbringen und alberne Sachen zu machen, wie Schlittschuhlaufen zu gehen oder im Park Hühnchen und Erdbeeren zu essen. Aber mir war klar, dass es dazu nicht mehr kommen würde.
Als ich mit meinem Kaffee fertig war, ging ich los, um einzukaufen. Es hatte keinen Sinn, sich darauf zu verlassen, dass sich Sandy an irgendetwas erinnerte, also konnte ich wenigstens dafür sorgen, dass wir etwas zu Essen im Haus hatten.
Ich war länger weg, als ich geplant hatte. Auf dem Weg zum Supermarkt hatte mich Ruby angerufen und wir hatten uns zum Essen getroffen. Anschließend waren wir in unseren Lieblingsläden herumgeschlendert und ich hatte mir eine DVD von Ich tanz mich in dein Herz hinein gekauft. Ich liebe alte Filme – nichts ist besser als ein schöner Fred-&-Ginger-Film, wenn man sich mies fühlt.
Als ich zurückkam, war das Haus leer und nur eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
»Hi Freya. Sandy hat mich gebeten, dich anzurufen.« Die zögerliche Stimme mit estnischem Akzent war unverkennbar die von Stefan, ihrem Star-Lehrling. Er hüstelte entschuldigend. »Sie … äh … sie musste für ein paar Tage weg. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, bei deinem Dad zu bleiben. Wenn es Probleme gibt, ruf mich an.«
Eure Mutter ist nie einfach so abgehauen? Nun, mir passiert das ständig. Wenn Sandy eine Idee hat, kann sie es nicht ertragen, nicht daran zu denken. Entweder schließt sie sich die ganze Nacht in ihrem Atelier ein oder sie verreist.
Als ich noch klein war, wohnte immer ein Au-pair-Mädchen bei uns, um auf mich aufzupassen. Normalerweise wechselten die ziemlich häufig, denn die Neuen wussten nicht so recht, was vor sich ging.Es funktionierte ganz gut, aber es wurde wesentlich einfacher, als Dad aufhörte, als Fotojournalist zu arbeiten und stattdessen zu unterrichten begann. Er fotografiert immer noch gelegentlich – hauptsächlich Porträts –, aber er ist immer in England. Und er wohnt gleich um die Ecke.
Ich machte mir einen Kaffee und rief ihn auf dem Handy an.
»Sandy ist wieder ausgeflogen«, erklärte ich. »Tut mir leid.«
»Warte mal einen Moment.« Ich hörte ihn kurz gedämpft mit jemandem reden und dann fragte er mich: »Brauchst du Hilfe beim Tragen?«
Ich warf einen Blick auf die Lebensmittel, die ich gerade gekauft hatte. Wenn ich sie in der Wohnung ließ, würden sie wahrscheinlich verderben. »Ja, ich könnte Hilfe gebrauchen. Aber es eilt nicht.«
»Wie wäre es, wenn ich dich in einer Stunde abhole?«
»Prima«, antwortete ich. »Ich brauche nicht lange, um zu packen.«
Wie auch? Ich hatte meinen Rucksack ja noch gar nicht richtig ausgepackt. Ich musste nur die Sachen, die ich gestern Abend herausgenommen hatte, wieder hineintun, dann war ich fertig, das würde keine Viertelstunde dauern. Um mir die Zeit zu vertreiben, bis Dad kam, setzte ich mich in der Küche an den Tisch und sah mir die Bücher an, die Sandy liegen gelassen hatte. Ich begann gerade eines davon zu lesen, als es klingelte.
Exakt eine Stunde, nachdem ich das Telefon weggelegt hatte.
Ich liebe viele Dinge an meinem Vater und eines davon ist seine absolute, hundertprozentige Zuverlässigkeit. Als ich die Tür öffnete, stand er grinsend im Gang.
»Ich hätte mir merken sollen, was mir Sandy aus dem Bücherregal geklaut hat«, meinte er, als er meine Tüten nahm. »Was ist es denn diesmal?«
Es ist immer ein großes Geheimnis, was Sandy treibt, bis die Models tatsächlich auf den Laufsteg kommen. Selbst wenn ich ein paar Hinweise darauf bekomme, woran sie gerade arbeitet, darf ich das nicht einmal meinen Freundinnen verraten, damit nichts zu früh herauskommt.Nur mit Dad darf ich reden. Auch wenn sie sich getrennt haben – irgendwie –, vertraut Sandy ihm immer noch mehr als jedem anderen auf der Welt.
»Somalia«,
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