Schöne Lügen: Roman (German Edition)
»Sie sind vermutlich halb verhungert«, meinte er schnell. »Ich werde Ihnen etwas zu essen machen, aber erwarten Sie bitte keine kulinarischen Höchstleistungen.«
»Sie brauchen sich nicht zu bemühen. Melanie …«
»… ist heute morgen zu einem Besuch bei ihren Eltern«, beendete er den Satz. »Familienangelegenheiten. Mike kümmert sich für mich um das Telefon. Ich stehe ganz zu Ihren Diensten.« Er lächelte, doch es war etwas verschämt. »Ich bin gleich wieder da.« Mit diesen Worten verließ er sie rasch.
Erin kletterte wieder ins Bett, nachdem sie, so gut es ging, die Laken geradegezogen hatte. Sie schüttelte die Kissen auf und lehnte sich dann zurück, erneut hatte sie das Gefühl der Kraftlosigkeit. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie wieder so weit auf dem Damm wäre, Tennis zu spielen, dachte sie erschöpft.
Sie wollte gerade einnicken, als Lance mit einem Tablett ins Zimmer schwebte. »Das Spezialgericht des heutigen Morgens sind heiße Frühstücksflocken, trockener Toast und Eistee.« Seine Mundwinkel zogen sich nach oben.
Er lächelte so selten. Vielleicht gehörte das aber auch zu seiner Attraktivität. Denn wenn er lächelte, war es entwaffnend und unwiderstehlich. Ein Flattern, das mit ihrer Krankheit nichts zu tun hatte, huschte durch Erins Körper. Das Nachthemd über ihrer Brust bewegte sich im Rhythmus des heftig schlagenden Herzens. Sie sah, daß Lance auf genau diese Stelle blickte, als er sich vorbeugte und das Tablett auf ihren Schoß setzte.
»Der Tee ist wunderbar«, sagte sie errötend. »Etwas Süßes hätte ich nicht trinken können, aber ich sehne mich nach etwas Kaltem.«
»Dr. Joshua hat gesagt, Sie sollten ein paar Tage lang keine Milch und keine Fruchtsäfte trinken.«
»Ich trinke sowieso niemals Milch.«
»Nie?« fragte er.
»Nein, sie macht dick«, antwortete sie und biß ein Stück Toast ab.
»Aha!« Er betrachtete sie eingehend, folgte der Linie ihrer Beine unter der Decke. »Stimmt, Sie sind beinahe ein Schwergewicht.« Zum ersten Mal sah sie in seinen blauen Augen herzliche Belustigung aufblitzen. Er neckte sie!
»Das würde ich vielleicht sein, wenn ich immer Milch trinken würde«, lachte sie, und Lance stimmte aufgeräumt ein. »Was ist das?« fragte sie und warf einen zweifelnden Blick auf die Schale mit den heißen Frühstücksflocken. »Das sieht aus wie Pampe.«
»Ich bitte Sie, Madam. Diese Schale mit Sahnereisflocken ist die ›Surprise de chef‹. Es ist nicht ein einziges Klümpchen darin.«
»Sahnereisflocken. Bah!« Sie schauderte. »Erwarten Sie auch noch, daß ich das esse?«
»Unbedingt. Sie brauchen Kraft, und mit Toast allein werden Sie das nicht erreichen. Sie müssen etwas Nahrhaftes essen.«
»Ich fürchte, diese Spezialität bleibt mir im Hals stecken.«
»Also wirklich, wollen Sie den Küchenchef beleidigen?« Er nahm den Löffel, tauchte ihn in die Schale und machte Anstalten, sie zu füttern. Er hielt den Löffel so lange vor ihren Mund, bis sie ihn öffnete. Sie hatte das Zeug noch nicht heruntergeschluckt, als er ihr schon den nächsten Löffel voll hinhielt. Sie prustete, als sie den Mund öffnete, wie er es von ihr verlangte.
»Sie füttern mich ja wie ein Baby«, brachte sie heraus, ehe er den nächsten Löffel nachschob. »Prima machen Sie das.«
»Das sollte ich wohl können«, sagte er.
Himmel! Er ist verheiratet! dachte sie. Dieser Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen. Bestimmt war er verheiratet und hatte ein Haus voller Kinder.
»Ich mußte immer den Nachwuchs meiner Schwester füttern, und das habe ich so oft gemacht, daß ich mittlerweile einige Tricks gelernt habe«, erklärte er. »Daher weiß ich auch das mit den Crackern. Immer wenn meine Schwester schwanger war, hat sie dieses Zeug kistenweise gekaut, wenn ihr übel war.«
»Haben Sie selbst auch Kinder?« Erin war erleichtert über seine Erklärung, daß es sich bei seinem Training um Nichten
und Neffen gehandelt hatte, doch wußte sie immer noch nicht, ob er verheiratet war. Ehe sie sich zurückhalten konnte, war ihr diese Frage herausgerutscht. Der nächste Löffel mit dem faden Reis wurde mitten in der Bewegung angehalten.
»Nein«, sagte er leise. »Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr verheiratet. Die Frau, die ich seinerzeit Hals über Kopf geheiratet hatte, entschied nach zwei Jahren des Ehelebens, daß ich sie unterdrückte und daß sie sich lieber ihrer Karriere widmen wollte. Sie hat mich verlassen und die Scheidung eingereicht.«
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