Schöne Lügen: Roman (German Edition)
die sich in dem dichten Haar verbargen, sie ahnte auch nichts von dem peinigenden Glücksgefühl, das Lance zu überwältigen drohte, als sie ihn an einer so intimen Stelle berührte. Ohne ein Wort, ohne daß sie auch nur einen Gedanken daran verschwendete, verriet ihm dieses Tasten das Geheimnis ihres Herzens. Lance tat es ihr gleich, unter seinem Hemd legte er seine Hand auf ihre und drückte sie so fest an sich, als wünsche er, eins mit ihr zu werden.
Erin glaubte, daß es Einbildung gewesen sein mußte, die sie fühlen ließ, wie er sein Gesicht in ihrem Haar vergrub. Die leise gemurmelten Worte waren unverständlich, hörten sich jedoch an wie eine Liebkosung voll unterdrückter Gefühle. Und die sanfte Berührung ihrer Stirn mit seinen Lippen war sicher auch Teil eines Traums. Aber ob sie es sich nun eingebildet hatte oder nicht, sie wollte, daß es immer so bliebe und murmelte einen schwachen Protest, als Lance mit ihr wieder aufstand und sie zum Bett hinübertrug.
Vorsichtig legte er sie hinein und zog die Decke über sie. »Lassen Sie sie morgen schlafen, solange sie möchte«, vernahm Erin die Stimme von Dr. Joshua.
»Wird sie bald wieder gesund sein?« War es Lance, der diese ängstliche Frage gestellt hatte? Er mußte es gewesen sein, denn schließlich war außer dem Arzt er der einzige Mann im Raum.
»Ja, sicher ist sie bald wieder auf den Beinen. Morgen wird sie sich schrecklich fühlen, aber übermorgen sollte sie über den Berg sein. Wenn das nicht der Fall ist, rufen Sie mich bitte.«
Erin hörte noch, wie der Arzt sich verabschiedete, und durch die halb geschlossenen Lider bemerkte sie auch, daß das Licht gelöscht wurde. Jemand kam zu ihr ans Bett. Wer auch immer es war, Erin fühlte, wie er ihre Hand ergriff und sie dann an eine stoppelige Wange preßte, ehe er sie an seinen Mund zog und ihre Innenseite hingebungsvoll küßte.
Sie wollte wissen, wer das gewesen war, aber sie vermochte die Augen nicht mehr zu öffnen.
Außerdem hatte sie wahrscheinlich wieder einmal Halluzinationen.
7. KAPITEL
Den Sonnenstrahlen nach zu urteilen, die durch das Fenster fielen, mußte es später Nachmittag sein, als Erin erwachte. Reglos blieb sie liegen und wartete darauf, daß ein erneuter Magenkrampf sich meldete, doch nichts geschah. Sie fühlte sich nur entsetzlich schwach, und jeder einzelne Muskel in ihrem Körper schmerzte.
Sie drehte sich auf die Seite und sah, daß jemand daran gedacht hatte, einen Eiskübel neben das Bett zu stellen. Sie öffnete ihn, nahm zwei kleine Stückchen Eis heraus und legte sie auf ihre geschwollene, trockene Zunge. Noch ehe das Eis geschmolzen war, war Erin schon wieder eingeschlafen.
Der späte Abend tauchte den Himmel in ein sanftes Rot, als Erin vom Geräusch klappernden Geschirrs geweckt wurde. Sie drehte sich im Bett um und entdeckte Melanie, die einen Servierwagen ins Zimmer rollte.
»Du bist wach«, rief Melanie erfreut. »Ich dachte schon, du würdest ewig schlafen, aber Mr. Barrett sagte, daß ich dich unter keinen Umständen wecken dürfte.«
»Melanie?« krächzte Erin. Was war nur mit ihrer Stimme geschehen? Sie räusperte sich und versuchte es dann noch einmal. »Melanie, es tut mir so leid, daß ich dir solche Umstände mache.«
»Erin! Du wirst mich doch nicht beleidigen wollen, indem du dich entschuldigst. Du kannst doch nichts dafür, daß du krank geworden bist.«
»Ich weiß, aber ich habe dir so viel Mühe und Arbeit aufgeladen. Als hättest du im Augenblick nicht sowieso genug um die Ohren.« Sie versuchte sich aufzusetzen, doch gelang es ihr nur, sich ein wenig höher in die Kissen zu schieben.
Melanie stellte das Tablett auf den Nachttisch. »Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muß, Erin.« Sie blickte auf ihre verschränkten Hände. »Ich konnte dir gestern abend nicht helfen. Seit meiner Kindheit habe ich schreckliche Angst vor Krankheiten. Immer, wenn ich in der Nähe eines Kranken bin, übertragen sich dessen Symptome auf mich. Verzeih mir, Erin, weil ich dich allein gelassen habe, als du mich am nötigsten gebraucht hättest.«
Erin nahm Melanies Hand. »Ich war viel zu beschäftigt, um es überhaupt zu bemerken«, winkte sie ab und rang um ein Lächeln. »Aber jetzt geht es mir schon viel besser.«
»Oh, das freut mich so. Mr. Barrett dachte, du möchtest vielleicht ein paar Cracker essen mit Tee. Er benimmt sich schon den ganzen Tag über so eigenartig. Weißt du, was er in der letzten Nacht getan hat? Er hat Dr. Joshua
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