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Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Sie setzten den
    Rundgang fort.
    Im Füllsaal herrschte harmonische,
    wohlgeordnete
    Betriebsamkeit. Frische Lappen aus dem Bauchfell einer Sau, auf entsprechende Größe fertig zugeschnitten, kamen in kleinen Expreßaufzügen aus dem Organmagazin im Tiefgeschoß herauf.
    Pftz! klick! - die Aufzugtüren flogen auf, der Flaschenauskleider brauchte nur die Hand auszustrecken, den Lappen zu ergreifen, einzupassen und glattzustreichen; und noch bevor die so
    ausgekleidete Flasche auf dem Fließband außer Reichweite gewandert war, kampftz! klick! ein neuer Bauchfellappen aus der Tiefe emporgesaust, um in die nächste Flasche der
    langsamen, endlosen Prozession auf dem Fließband eingefügt zu werden.
    -23-

    Den Auskleidern zunächst standen die Einbetter. Die
    Prozession zog an ihnen vorüber; die Eier wurden, eines nach dem anderen, aus den Reagenzgläsern in die größeren Behälter getan. Ein geschickter Schnitt ins Schweinsperitoneum, die Morula wurde an die richtige Stelle gedrückt, Salzlösung darübergegossen - und schon wanderte die Flasche weiter, um etikettiert zu werden. Abstammung, Zeitpunkt der Befruchtung, Zugehörigkeit zu einer Bokanowskygruppe - diese Einzelheiten wurden von den Reagenzgläsern auf die Flaschen übertragen.
    Nicht länger anonym, sondern benannt und identifiziert, wanderte die Flaschenprozession langsam weiter, durch eine Wandöffnung in die Abteilung für soziale Bestimmung.
    »Achtundachtzig Kubikmeter Karteikarten«, erklärte Päppler mit Hochgenuß, als sie den Raum betraten.»Sämtliche
    notwendigen Angaben enthaltend«, ergänzte der Direktor.
    »Jeden Morgen auf den letzten Stand gebracht.«
    »Und jeden Nachmittag in Tabellen zusammengefaßt.«
    »Anhand deren die Berechnungen angestellt werden.«
    »Soundso viele Menschenwesen von der und der Sorte.«
    »Lagernd in den und den Mengen.«
    »Jederzeit die gewünschte Zahl von Entkorkungen.«
    »Unvorhergesehener Mehrverbrauch sofort gedeckt. Ja,
    sofort«, wiederholte Päppler. »Sie ahnen gar nicht, wie viele Überstunden ich nach dem letzten Erdbeben in Japan machen mußte!« Gutmütig lachend schüttelte er den Kopf.
    »Die Prädestinatoren übergeben ihre Zahlen den
    Befruchtern.«
    »Die ihnen die gewünschte Anzahl Embryos schicken.«
    »Worauf die Flaschen hierherkommen, um im einzelnen
    prädestiniert zu werden.«
    »Von hier aus gelangen sie ins Embryonendepot.«
    »Wohin wir uns nun begeben.«
    -24-

    Päppler öffnete eine Tür und ging über eine Treppe voran ins Tiefgeschoß hinunter.
    Die Hitze war auch hier tropisch. Die Dämmerung nahm zu, je tiefer sie stiegen. Zwei Türen und ein Korridor, der um zwei Ecken führte, schützten den Keller vor jedem Einsickern des Tageslichts.
    »Embryos sind wie noch nicht entwickelte Filme«, sagte
    Päppler scherzend, während er die zweite Tür aufstieß.
    »Sie vertragen nur rotes Licht.«
    Das schwüle Dunkel, in das die Studenten ihm folgten, war sichtbar und purpurn wie das Dunkel hinter geschlossenen Lidern an einem Sommernachmittag. Die bauchigen
    Wandungen endlos sich hinziehender Flaschenreihen über
    Flaschenreihen funkelten wie unzählige Rubine, und zwischen diesen Rubinen bewegten sich dunkelrote männliche und
    weibliche Schatten mit purpurnen Augen und allen Symptomen von Lupus. Ein leises Surren und Rattern von Maschinen
    durchzitterte die Luft.
    »Nennen Sie ihnen doch ein paar Zahlen, Herr Päppler«, sagte der Direktor, des Sprechens müde.
    Päppler ergriff freudig die Gelegenheit.
    Zweihundertzwanzig Meter lang, zweihundert breit, zehn hoch. Er wies in die Höhe. Gleich trinkenden Hühnern hoben die Studenten die Augen zur Decke.
    Drei Etagen mit Regalen: Parterre, erste Galerie, zweite Galerie.
    Das stählerne Spinnengewebe der Galerien verlor sich nach allen Richtungen ins Dunkel. In der Nähe luden drei rote Schemen bauchige Flaschen von einer Rolltreppe ab, die aus dem Bestimmungssaal kam.
    Jede einlaufende Flasche konnte auf eines der fünfzehn
    Regale im Parterre gestellt werden; jedes Regal bewegte sich,
    -25-

    was man allerdings kaum wahrnehmen konnte, auf einem
    Förderband mit dreiunddreißigeindrittel Zentimeter
    Stundengeschwindigkeit. Zweihundertsiebenundsechzig Tage lang, acht Meter täglich; zweitausendeinhundertsechsunddreißig Meter insgesamt. Ein ganzer Umlauf hier im Parterre, einer auf der ersten Galerie, ein halber auf der zweiten, und am zweihundertsiebenundsechzigsten Morgen erblickten sie das Licht des Entkorkungszimmers - traten

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