Schöne Neue Welt
ins sogenannte
selbständige Dasein.
»Aber in der Zwischenzeit«, sagte Päppler abschließend,
»verstehen wir allerlei mit ihnen anzustellen. Oh, allerlei!« Er lachte wissend und triumphierend.
»So ist's recht!« bemerkte der Direktor nochmals. »Machen wir mal die Runde! Und erklären Sie ihnen alles, Herr Päppler!«
Pflichtschuldig erklärte Päppler ihnen alles.
Er erzählte ihnen vom Wachstum des Embryos auf seiner
Bauchfellunterlage, ließ alle das kräftige Blutsurrogat kosten, mit dem der Embryo ernährt wurde, erklärte, warum er mit Plazentin und Thyroxin angeregt werden mußte. Er erwähnte den Corpus-luteum-Extrakt, zeigte ihnen die Düsen, durch die er alle zwölf Meter zwischen 0 und 2040 automatisch in die
Flaschen eingespritzt wurde, sprach von den allmählich
erhöhten Mengen Hypophysenhormons, die man den Embryos
während der letzten sechsundneunzig Meter ihres Umlaufs
zuführte. Er beschrieb den künstlichen maternalen Blutkreislauf, an den bei Meter 112 jede Flasche angeschlossen wurde; er zeigte ihnen den Blutsurrogatbehälter und die Zentrifugalpumpe, die die Flüssigkeit über der Plazenta in Bewegung hielt und sie durch die synthetische Lunge und den Filter für die Abbaustoffe trieb. Er erwähnte die lästige Neigung des Embryos zu
Blutarmut und verwies auf die großen Mengen
Schweinemagenextrakt und fötaler Fohlenleber, mit denen er daher versorgt werden mußte.
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Er führte ihnen den einfachen Mechanismus vor, mit dem bei jedem sechsten oder siebenten Meter alle Embryos gleichzeitig geschüttelt wurden, damit sie sich an Bewegung gewöhnten. Er wies auf die ernste Bedeutung des sogenannten
»Entkorkungstraumas« hin und zählte die Vorsichtsmaßnahmen auf, die getroffen wurden - ein entsprechendes Training des Embryos in der Flasche -, um den gefahrbringenden Schock auf ein Mindestmaß zu beschränken. Er erklärte ihnen, wie das Geschlecht des Embryos in der Nähe von Meter 200 geprüft und die Flasche bezeichnet wurde: ein T für männliche, ein Kreis für weibliche, und für solche, die empfängnisfrei werden sollten, ein Fragezeichen, schwarz auf weißem Grund.
»Denn natürlich«, sagte Päppler, »ist Fruchtbarkeit in der überwiegenden Zahl aller Fälle nur lästig. Ein fruchtbares Ovar von zwölfhundert - das würde für unsere Zwecke wirklich vollauf genügen. Aber wir wollen eben reiche Auswahl zur Verfügung haben,
und selbstverständlich braucht man
sicherheitshalber immer großen Spielraum. Daher lassen wir dreißig Prozent der weiblichen Embryos sich normal
entwickeln. Die anderen erhaltenwährend des weiteren Umlaufs alle vierundzwanzig Meter eine Dosis männlichen
Sexualhormons. Ergebnis: Sie werden in unfruchtbarem Zustand entkorkt, sind völlig normal gebaut, haben nur« - wie er zugeben mußte - »eine ganz, ganz schwache Neigung zu Bartwuchs, sind aber empfängnisfrei. Garantiert empfängnisfrei. Und damit gelangen wir endlich aus dem Bereich bloßer sklavischer
Nachahmung der Natur auf das viel interessantere Gebiet
menschlicher Erfindung.«
Er rieb sich die Hände. Es war ja klar, daß man sich nicht damit begnügte, Leibesfrüchte einfach ausreifen zu lassen; das konnte jede Kuh.
»Wir prädestinieren und normen auch. Wenn wir unsere
Kleinlinge entkorken, haben sie bereits ihren festen Platz in der Gesellschaft, als Alphas oder Epsilons, als künftige
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Kanalreiniger oder künftige
-« Er hatte »künftige
Weltaufsichtsräte« sagen wollen, verbesserte sich aber und sagte
»künftige Brutdirektoren«.
Der BUND quittierte das Kompliment mit einem Lächeln.
Sie kamen an Meter 320 von Regal 11 vorüber. Ein junger
beta-minus Mechaniker arbeitete mit Schraubenzieher und -
Schlüssel an der Blutsurrogatpumpe einer Flasche.
Das Summen des Elektromotors wurde um Bruchteile eines
Tons tiefer, als er die Muttern lockerte. Tiefer, tiefer... Ein letzter Ruck, ein Blick auf den Drehzahlmesser, und er war fertig. Er ging zwei Schritte weiter, die Reihe entlang, und begann die gleiche Arbeit an der nächsten Pumpe.
»Verringerung der Umdrehungsgeschwindigkeit«, erklärte
Päppler. »Das Blutsurrogat zirkuliert langsamer und fließt daher in längeren Abständen durch die Lunge, führt also dem Embryo weniger Sauerstoff zu. Es geht nichts über
Sauerstoffverknappung, wenn man einen Embryo unter dem
Durchschnitt halten will.« Wieder rieb er sich die Hände.
»Ja,
warum wollen Sie denn den Embryo
unterdurchschnittlich
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