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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Anteil daran. »Ein schöner Gedanke, daß wir dem Geme inwohl nützen können, auch wenn wir schon tot sind! Wir lassen die Pflanzen wachsen.«
    Lenina hatte unterdessen senkrecht in die Tiefe auf die Einschienenstation hinabgeblickt. »Ein schöner Gedanke«, stimmte sie zu. »Aber merkwürdig, daß aus Alphas und Betas nicht mehr Pflanzen wachsen als aus diesen ekligen kleinen Gammas, Deltas und Epsilons dort unten.«
    »Alle Menschen sind chemisch-physikalisch gleich«, sagte Henry schulmeisterlich. »Sogar Epsilons leisten unentbehrliche Dienste.«
    »Sogar Epsilons...« Lenina entsann sich plötzlich eines Augenblicks in ihrer Schulzeit, als sie mitten in der Nacht erwacht war und zum ersten Mal bewußt das Wispern vernommen hatte, das sie in jedem Schlaf verfolgt hatte. Sie sah wieder den Mondstrahl über der langen Reihe weißer Bettchen, hörte wieder die unendlich leise Stimme, die jene unvergessenen, infolge zahlloser nächtlicher Wiederholungen unvergeßlichen Worte sprach: »Jeder arbeitet für jeden. Wir können niemanden entbehren. Sogar Epsilons sind nützlich. Wir können auch Epsilons nicht entbehren. Jeder arbeitet für jeden. Wir können niemanden -«
    Lenina erinnerte sich, wie Angst und Überraschung sie zum ersten Mal erschüttert hatten, erinnerte sich an ihr Grübeln während einer durchwachten langen halben Stunde und dann an die allmähliche Beruhigung ihrer Gedanken unter dem Einfluß dieser unaufhörlichen Wiederholungen, an die Beruhigung und an das Gefühl der Geborgenheit und das verstohlene Näherschleichen des Schlafs...
    »Ich glaube, den Epsilons ist es gar nicht unangenehm, Epsilons zu sein«, sagte sie.
    »Natürlich nicht. Wie wäre das auch möglich? Sie wissen doch gar nicht, wie das ist, wenn man anders ist. Uns natürlich wäre es sehr unangenehm. Aber wir sind eben anders genormt und haben überdies auch eine andere Erbmasse.«
    »Wie froh bin ich, daß ich keine Epsilon bin!« sagte Lenina voll Überzeugung.
    »Wärst du aber eine Epsilon«, entgegnete Henry, »dann wärst du dank deiner Normung ebenso froh, keine Beta oder Alpha zu sein.« Er ließ den Propeller anlaufen und lenkte den Hubschrauber in Richtung Berlin. Im Westen, schräg hinter ihnen, waren das Scharlachrot und Orange fast erloschen, eine dunkle Wolkenbank war in den Zenit emporgekrochen. Als sie das Krematorium überflogen, schoß das Flugzeug plötzlich in die Höhe, hinaufgetrieben von der heißen Luftsäule, die den Schloten entstieg, und sank ebenso plötzlich wieder in der kühleren Zone dahinter.
    »Ein wundervoller Hops!« lachte Lenina entzückt.
    Aber Henrys Stimme hatte für einen Augenblick fast etwas Schwermütiges. »Weißt du auc h, was dieser Hops bedeutete?« fragte er. »Ein Mensch schied endgültig und für immer aus der Reihe der Lebenden. Ging auf in einer heißen Wolke aus Gas. Ob es wohl ein Mann oder eine Frau war? Ein Alpha oder ein Epsilon...?« Er seufzte. Dann sagte er mit betont fröhlicher Stimme: »Was immer er gewesen sein mag, eines ist jedenfalls gewiß: Er war glücklich, solange er lebte. Jeder ist heutzutage glücklich.«
    »Ja, jeder ist heutzutage glücklich«, echote sie. Die Worte waren ihnen zwölf Jahre lang allnächtlich hundertfünfzigmal wiederholt worden.
    Sie landeten auf dem Dach des vierzig Stockwerke hohen Appartementhauses Unter den Linden, in dem Henry wohnte, und begaben sich sofort in den Speisesaal hinunter. Inmitten einer fröhlich lärmenden Menge aßen sie eine vortreffliche Mahlzeit. Zum Mokkain wurde Soma serviert. Lenina nahm zwei Halbgrammtabletten, Henry drei. Um neun Uhr zwanzig gingen sie in die neueröffnete Dom-Diele am Lustgarten hinüber. Die Nacht war mondlos und sternenklar, aber die beiden merkten glücklicherweise nichts von dieser eher bedrückenden Tatsache, denn die Lichtreklamen hielten das nächtliche Dunkel mit Erfolg ab. »Hylton Vandervelde und seine sechzehn Sexofonisten.« Einladend flammten die riesigen Buchstaben auf der renovierten Fassade. »Berlins größte Duftund Farbenorgel. Allerneueste synthetische Kondensmusik.«
    Sie traten ein. Die Luft war fast beklemmend schwer von dem Duft nach Ambra und Sandelholz. An die Kuppel des Doms hatte die Farbenorgel gerade einen tropischen Sonnenuntergang gemalt. Die sechzehn Sexofonisten spielten einen alten Erfolgsschlager: »Du allersüßestes Fläschchen der Welt.« Vierhundert Paare bewegten sich im Fünfschritt über das Parkett. Lenina und Henry bildeten bald das

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