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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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nach den geltenden Maßstäben eine geistige Ausschweifung war, hatte die Kluft nur noch vergrößert. Was Helmholtz dagegen sich seiner so unangenehm bewußt machte und ihn in die Einsamkeit trieb, waren zu große Geistesgaben.
    Beiden gemeinsam war das Bewußtsein, daß sie Einzelfälle waren. Nur hatte der unterentwickelte Sigmund sein ganzes Leben lang unter seinem Anderssein gelitten, während Helmholtz Holmes-Watson erst vor kurzem seine geistige Überlegenheit entdeckt und seine Verschiedenheit von den Menschen rings um sich bemerkt hatte.
    Dieser Feldtennismeister, dieser unermüdliche Liebhaber - sechshundertvierzig Mädchen, hieß es, hatte er in knapp vier Jahren gehabt -, dieser hervorragende Versammlungsleiter und glänzende Gesellschafter hatte plötzlich erkannt, daß er Sport, Frauen und Dienst am Gemeinwohl nicht für das Höchste ha lten konnte. Im Grunde seines Herzens galten seine Interessen etwas anderem. Aber was war das? Ja, was? Sigmund besuchte ihn, um über dieses Problem mit ihm zu reden oder, besser gesagt, ihm wieder zuzuhören, denn Helmholtz besorgte das Reden immer ganz allein.
    Drei reizende Mädchen aus dem Büro für Synthetovoxpropaganda belagerten den Freund, als er den Aufzug verließ.
    »Ach, Helmhöltzchen, kommen Sie doch mit uns zu einem Nachtpicknick auf dem Brocken!« Flehend umschwärmten sie ihn.
    Kopfschüttelnd bahnte er sich den Weg. »Nein!«
    »Aber wir laden auch keinen anderen Mann dazu ein!«Selbst diese verlockende Zusage vermochte Helmholtz nicht umzustimmen. »Nein«, wiederholte er, »ich habe zu tun.« Entschlossen ging er weiter, die drei Mädchen hinterdrein. Erst als er in Sigmunds Flugzeug saß und die Tür zugeschmettert hatte, ließen sie unter bitteren Vorwürfen von ihm ab.
    »Diese Weiber!« sagte er, während der Hubschrauber aufstieg. »Diese Weiber!« Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. »Einfach schrecklich.« Sigmund stimmte ihm scheinheilig bei, während er insgeheim wünschte, ebenso viele Mädchen wie Helmholtz haben zu können und ebenso mühelos. Er verspürte plötzlich das heftige Bedürfnis, anzugeben. »Ich nehme Lenina Braun nach Neumexiko mit«, sagte er so beiläufig wie möglich.
    »So?« fragte Helmholtz ohne eine Spur von Interesse.
    Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Seit ein, zwei Wochen bin ich allen Versammlungen und allen Frauen ausgewichen. Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Theater sie in der Hochschule deswegen machen.
    Und doch lohnte es sich, glaube ich. Die Wirkungen -«
    Er zögerte. »Nun, sie sind merkwürdig, höchst merkwürdig.«
    Körperliche Unzulänglichkeit konnte geistigen Überschuß bewirken. Offenbar ließ sich der Vorgang aber auch umkehren. Geistiger Überschuß konnte zu seinem eigenen Nutzen freiwillige Blindheit und Taubheit selbstgewählter Einsamkeit, künstliche Impotenz der Askese hervorrufen.
    Schweigend legten sie den Rest des kurzen Fluges zurück. In Sigmunds Wohnung angelangt, behaglich auf die pneumatischen Sofas hingestreckt, nahm Helmholtz das Gespräch wieder auf.
    »Hast du jemals«, fragte er, bedächtig Wort nach Wort setzend, »hast du jemals das Gefühl gehabt, als hättest du etwas im Innern, das nur auf eine Gelegenheit wartet, hervorzubrechen? Eine Art überschüssige, ungenutzte Kraft, etwas wie das Wasser, das über die Felsen hinabstürzt, statt Turbinen anzutreiben?« Fragend sah er Sigmund an.
    »Meinst du all die Gemütsbewegungen, die man haben könnte, wenn die Dinge anders wären?«
    »Nicht ganz.« Helmholtz schüttelte den Kopf. »Ich meine«, sagte er, »daß mich manchmal das seltsame Gefühl beschleicht, ich hätte etwas Wichtiges zu sagen und besäße auch die Kraft dazu - nur weiß ich nicht, was es ist, und kann die Kraft nicht verwerten. Wenn ma n anders schreiben könnte - oder über anderes...« Er verstummte; endlich fuhr er fort: »Weißt du, ich kann ganz gute Merksprüche erfinden - du kennst ja diese Verse, die einen förmlich in die Höhe fahren lassen, als hätte man sich auf eine Nadel gesetzt. Sie wirken so neu und sensationell, selbst wenn sie eine abgedroschene Schlafschulweisheit verkünden. Aber das genügt mir eben nicht. Es genügt mir nicht, daß die Merksprüche gut sind; auch was man mit ihnen bewirkt, sollte gut sein.«
    »Aber deine Sachen sind doch gut, Helmholtz.«
    »Soweit solches Zeug eben gut sein kann.« Er zuckte die Achseln. »Aber das sind Nichtigkeiten, das ist nicht bedeutend genug. Ich fühle, ich könnte viel

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