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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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schliefen die weiße Filine, und neben ihr der fast schwarze Pope, der einen Arm unter ihre Schultern, die andere dunkle Hand auf ihre Brust gelegt hatte. Einer seiner langen Zöpfe lag über ihrem Hals wie eine sie würgende schwarze Schlange.
    Popes Kürbisflasche und eine Tasse standen neben dem Bett. Filine schnarchte. Sein Herz schien verschwunden zu sein und nichts als ein Loch an seiner Stelle gelassen zu haben. Er fühlte sich leer. Leer, kalt, fast krank und schwindlig. Halt suchend, lehnte er sich an die Mauer. Fühlloser, falscher, geiler -.
    Wie Trommeln, wie der Bittgesang um den Mais, wie Zaubersprüche kehrten die Worte in seinem Kopf immer wieder. Sein Frösteln verwandelte sich plötzlich in Gluthitze.
    Seine Wangen brannten von aufwallendem Blut, das Zimmer verschwamm und verdunkelte sich vor seinen Augen.
    Er knirschte mit den Zähnen. »Ich bring ihn um, ich bring ihn um, ich bring ihn um«, murmelte er. Und plötzlich kamen neue Worte: »Wenn er berauscht ist, schlafend, in der Wut: In seines Betts blutschänderischen Freuden -«
    Der Zauber stand ihm bei, offenbarte und befahl. Er ging zurück in die andere Kammer. »Wenn er berauscht ist, schlafend - « Das Fleischmesser lag neben dem Herd; er hob es auf und schlich wieder zur Tür. »Wenn er berauscht ist, schlafend, berauscht - schlafend - « Er stürzte ins andere Zimmer und stach zu - o das Blut! - , stach nochmals zu, als Pope sich aus dem Schlaf wälzte, und hob die Hand zum dritten Stoß, als sein Gelenk gepackt, festgehalten und - au, au! - herumgedreht wurde. Er konnte sich nicht rühren, er war in der Falle, und Popes kleine schwarze Augen starrten aus nächster Nähe in die seinen. Er wandte das Gesicht ab. In Popes linker Schulter waren zwei Stiche. »Oh, sieh nur, das Blut!« jammerte Filine. »Das viele Blut!« Sie hatte den Anblick von Blut nie ertragen können. Pope hob die andere Hand. Wohl um ihn zu schlagen, dachte er und straffte sich gegen den kommenden Hieb. Aber die Hand fuhr ihm nur unter das Kinn und drehte sein Gesicht so, daß er wieder in Popes Augen sehen mußte - stundenlang. Und plötzlich - er konnte nicht anders - mußte er weinen. Pope begann zu lachen.
    »Geh«, sagte er in seiner Indianersprache, »geh, meintapfrer Ahaiyuta!« Er lief in die andere Kammer, um seine Tränen zu verbergen.
    »Du bist nun fünfzehn«, sagte der alte Mitsima. »Ich will dich jetzt lehren, den Lehm zu formen.«
    Am Flußufer kauernd, arbeiteten sie miteinander.
    »Zuerst«, sagte Mitsima und nahm einen feuchten Lehmklumpen zwischen seine Hände, »machen wir einen kleinen Mond.« Er formte aus dem Klumpen eine Scheibe und bog dann ihre Ränder auf; aus dem Mond wurde eine flache Schale.
    Langsam und unbeholfen ahmte er die gewandten Bewegungen des Greises nach.
    »Ein Mond, eine Schale und nun eine Schlange.« Mitsima rollte einen anderen Lehmklumpen zu einem langen, biegsamen Wulst, bog ihn zum Ring und drückte ihn auf den Rand der Schale. »Nun noch eine Schlange. Und noch eine. Und noch eine.« Ring auf Ring formte Mitsima die Wände des Kruges, unten eng, dann weiter, dann wieder, gegen den Hals zu, eng. Er knetete und glättete, strich und schabte, und zuletzt stand der Krug da, geformt wie die herkömmlichen Wassergefäße von Malpais, aber nicht schwarz, sondern milchweiß und noch weich unter den Händen. Sein eigenes Werk stand daneben, ein verbogenes Zerrbild von Mitsimas Krug. Beim Anblick der beiden Krüge mußte er lachen.
    »Aber der nächste wird schon besser werden«, sagte er und befeuchtete einen neuen Lehmklumpen.
    Bilden und formen, fühlen, wie die Finger an Kraft und Gewandtheit zunehmen, bereitete ihm ungemeines Vergnügen. »A, B, c, Vitamin D«, sang er bei der Arbeit vor sich hin, »der Tran ist in der Leber, der Dorsch ist in der See.«
    Auch Mitsima sang; es war ein Lied von der Bärenjagd. Sie arbeiteten den ganzen Tag, und die ganze Zeit über war er in tiefe Seligkeit versunken.
    »Im nächsten Winter«, sagte der alte Mitsima, »werde ich dich lehren, einen Bogen zu machen.«Lange Zeit stand er vor dem Haus; endlich waren drinnen die Zeremonien zu Ende. Die Tür ging auf, sie kamen heraus. Zuerst Kothlu, die ausgestreckte Rechte fest geschlossen, als hielte er darin ein kostbares Juwel. Dann kam Kiakime, ihre geschlossene Hand gleichfalls vorgestreckt.
    Schweigend schritten sie dahin, schweigend folgten ihnen die Schwestern und Brüder und Vettern und Cousinen und das ganze Rudel der Alten.
    Der Zug

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