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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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allein draußen in den Bergen.« Er wies mit der Hand in die Richtung.
    Gönnerhaft lächelte Sigmund. »Und haben Sie etwas geträumt?«
    Der andere nickte: »Ich darf Ihnen aber nicht sagen, was.« Er schwieg eine kleine Weile, dann fuhr er mit gedämpfter Stimme fort: »Einmal tat ich etwas, das keiner von den ändern je getan hat. Ich stellte mich an einem Sommermittag an eine Felswand, die Arme ausgebreitet wie Jesus am Kreuz.«
    »Aber wozu denn nur?«
    »Ich wollte wissen, wie es ist, wenn man gekreuzigt wird. In der Sonnenglut zu hängen -«
    »Ja, aber warum?«
    »Warum? Nun...« Er zögerte. »Irgend etwas trieb mich dazu. Wenn Jesus es ausgehalten hat... Und wenn man etwas Unrechtes begangen hat... Und ich war auch sehr unglücklich; das war auch ein Grund.«
    »Eine seltsame Kur gegen 's Unglücklichsein«, meinte Sigmund. Aber bei näherer Überlegung fand er, daß sie im Grund gar nicht so dumm war. Jedenfalls besser, als Soma zu nehmen.
    »Nach einiger Zeit«, erzählte der junge Mann, »wurde ich ohnmächtig und stürzte aufs Gesicht. Sehen Sie?
    Hier!« Er schob das dichte blonde Haar aus der Stirn und wies auf eine blasse, runzelige Narbe an seiner rechten Schläfe.
    Sigmund sah hin und wandte dann rasch mit einem leichten Schauder die Augen ab. Seine Normung hatte ihn weniger mitleidig als wehleidig gemacht. Die bloße Andeutung einer Krankheit oder Verwundung verursachte ihm nicht nur Grauen, sondern Ekel, fast Brechreiz.
    Ebenso Schmutz, Verkrüppelung oder Greisenhaftigkeit.
    Hastig wechselte er das Thema.
    »Hätten Sie eigentlich nicht Lust, mit uns nach Berlin zurückzukehren?« fragte er. Das war der erste Vorstoß in einem Feldzug, den er seit jenem Augenblick plante, als er in der Hütte begriffen hatte, wer der »Vater« dieses jungen Wilden sein mußte. »Möchten Sie nicht?«
    Das Gesicht des Jünglings verklärte sich. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Natürlich. Das heißt, wenn ich die Erlaubnis dazu erhalte.«
    »Auch Filine?«
    »Na ja...« Er zögerte. Dieses abscheuliche Geschöpf!
    Ausgeschlossen! Wenn nicht vielleicht... Plötzlich wurde ihm klar, daß sich gerade ihre Abscheulichkeit als ungeheuer wertvoll erweisen konnte. »Aber natürlich!« rief er, sein Zögern durch übertrieben laute Herzlichkeit ausgleichend.
    Der junge Mann holte tief Atem. »Daß es also wahr werden soll - was ich mein ganzes Leben erträumte! Erinnern Sie sich an die Worte Mirandas?«
    »Wer ist das?«
    Aber der junge Mann schien die Frage überhört zu haben. »O Wunder«, rezitierte er mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen. »Was gibt's für herrliche Geschöpfe dort! Wie schön der Mensch ist!« Plötzlich errötete er noch tiefer. Lenina war ihm eingefallen, ein Engel in flaschengrüner Viskose, strahlend von Jugend und Hautcreme, üppig, wohlwollend lächelnd. Die Stimme versagte ihm fast. »O schöne neue Welt -« begann er und verstummte jäh. Jeder Blutstropfen war aus seinem Gesicht gewichen, er war weiß wie ein Blatt Papier. »Sind Sie mit ihr verheiratet?« fragte er.
    »Ob ich was bin?«
    »Verheiratet. Sie wissen doch: für Zeit und Ewigkeit.
    Auf indianisch sagt man ›für Zeit und Ewigkeit‹. Unlösbar.«
    »Du lieber Ford! Natürlich nicht!« Sigmund mußte lachen. Auch Michel lachte, aber aus einem ändern Grund. Er lachte vor lauter Seligkeit.
    »O schöne neue Welt«, wiederholte er. »Schöne neue Welt, die solche Bürger trägt! Brechen wir gleich auf!«
    »Manchmal drücken Sie sich aber höchst merkwürdig aus«, meinte Sigmund und starrte den jungen Mann in verdutztem Staunen an. »Und überhaupt, sollten Sie nicht lieber abwarten, bis Sie sie wirklich gesehen haben, diese neue Welt?«

Neuntes Kapitel
    Nach diesem Tag der Wunder und des Grauens fühlte Lenina, daß sie Anspruch auf einen ganz ungestörten Ruhetag hatte. Kaum wieder in der Schutzhütte, schluckte sie drei Gramm Soma, legte sich zu Bett und war binnen zehn Minuten unterwegs in die Ewigkeit auf dem Mond. Es würden mindestens achtzehn Stunden vergehen, bis sie wieder ins Zeitliche zurückkehrte.
    Sigmund lag unterdessen gedankenvoll mit offenen Augen im Dunkeln. Erst lange nach Mitternacht schlief er ein. Aber seine Schlaflosigkeit hatte ihr Gutes ge habt. Sigmund hatte einen Plan.
    Pünktlich um zehn Uhr am folgenden Morgen entstieg der grünuniformierte Mischling seinem Helikopter. Sigmund erwartete ihn unter den Agaven.
    »Fräulein Braun ist auf Somaurlaub«, erklärte er.
    »Kann kaum vor fünf Uhr

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